Angiologie Vortrag 2016

 

Prof. Dr. med. Erwin Blessing
Innere Medizin
SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach GmbH
Guttmannstraße 1, 76307 Karlsbad
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Empfohlene Antikoagulationsdauer nach TVT oder LE

Aufgrund der demografischen Entwicklung unserer Bevölkerung ist mit einem Anstieg der Häufigkeit von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) zu rechnen. Wie lauten die aktuellen Empfehlungen der Leitlinie zur Dauer der Antikoagulation nach tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie?

Bei transientem Risikofaktor (klassische Immobilisation nach einer OP, Exsikkose bei älteren Patienten): 3 Monate
Bei idiopathischer distaler Venenthrombose: 3 Monate
Bei idiopathischer proximaler Venenthrombose: 3 Monate (bei geringem Blutungsrisiko und gutem Monitoring: zeitlich unbegrenzt)
Bei aktiver Krebserkrankung: zeitlich unbegrenzt (oder bis zur Beendigung der Krebserkrankung)
Beim Rezidiv: zeitlich unbegrenzt

Das größte Rezidivrisiko besteht nicht in den ersten 3 Monaten, sondern danach.

Neue Studien zur Akuttherapie

Über 1/3 aller Blutungen unter Vitamin K-Antagonisten (VKA) treten bei gut eingestellten Patienten (INR 2–3) auf, und zwar in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle im Gastrointestinaltrakt.
Wie sieht es mit den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) aus?
WICHTIG: Dabigatran und Endoxaban setzen eine parenterale Heparin-Initialbehandlung der TVT voraus, wohingegen man Apixaban und Rivaroxaban direkt einsetzen kann.
Einstein-Studie (Rivaroxaban verglichen mit Standard of care, also initiale parenterale Heparingabe und anschließend VKA): In der Akuttherapie der Lungenembolie ist Rivaroxaban statistisch gesehen gleich gut wirksam wie ein VKA, verursacht aber deutlich weniger schwere Blutungen.
Amplify: Apixaban nach stattgehabter TVT ist statistisch gesehen gleich gut wirksam wie Enoxaparin/Warfarin, ebenfalls bei deutlich weniger Blutungskomplikationen.

Nicht-medikamentöse Standardtherapie bei TVT

Wichtige Maßnahmen (neben der Antikoagulation) sind:
Frühmobilisation
Kompressionstherapie

Im Gegensatz zu einer häufig verbreiteten Ansicht ist die Antikoagulation nicht in der Lage, das Gerinnsel aufzulösen, sondern verhindert lediglich das Wachsen des Thrombus und das Rezidiv.
Eine längerfristige Beobachtungsstudie ergab, dass Patienten nach TVT mit fast 50%iger Wahrscheinlichkeit trotz Standard of care (Mobilisation, Antikoagulation, Kompressionstherapie) ein postthrombotisches Syndrom (PTS) entwickeln (wobei man freilich nicht weiß, ob alle Probanden ihre Kompressionsstrümpfe auch wirklich den Empfehlungen entsprechend 2 Jahre lang getragen haben). Als mögliche Therapieerweiterung ergibt sich hieraus eine lokale thrombusbeseitigende Maßnahme (mechanische Thrombektomie oder Verabreichung eines Lytikums mit geringer systemischer und hoher lokaler Konzentration).

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)

Durch eine Intervention im Stadium der kompensierten Claudicatio intermittens kann man zwar „nur“ die Lebensqualität der Patienten verbessern; es gibt keine einzige Studie, die belegt, dass man hier durch eine erfolgreiche Revaskularisation Extremitäten retten kann. Doch auch die Verbesserung der Lebensqualität ist ein lohnendes Ziel. Im Stadium der kritischen Ischämie muss man schnell revaskularisieren, da sonst Gefahr für Leib und Leben des Patienten und für die Extremität besteht.
Weiterführende Maßnahmen sind ähnlich wie bei kardiologische Patienten sehr wichtig: Lifestylemodifikation, Blutdruck- und Diabeteseinstellung, Nikotinkarenz, Thrombozytenaggregationshemmung, Statine etc., denn die Patienten sterben nicht an ihrer PAVK, sondern an den kardiovaskulären Begleiterkrankungen. Dringend zu empfehlen ist außerdem ein strukturiertes Gehtraining. Medikamente, die die Gehstrecke verlängern oder die Lebensqualität verbessern, gibt es nicht, oder zumindest haben sie nur einen minimalen Benefit. Maßnahmen zur Revaskularisation: Man kann operieren oder intervenieren; beide Vorgehensweisen haben ein ähnlich gutes Outcome, daher ist das einfachere Procedere (Intervention) am sinnvollsten und wird von den Leitlinien auch in erster Linie empfohlen.
Zur Verhinderung einer Restenose sollte bei längeren Läsionen ein Stent eingesetzt werden. Auf diesem Gebiet hat sich viel getan; mittlerweile gibt es Spezialstents, die nicht knicken und sich in der Kniekehle gut der Anatomie anpassen. Der größte Durchbruch in der interventionellen Behandlung der PAVK in den letzten 10 Jahren waren die Drug-eluting Balloons (mit Paclitaxel als atiproliferativer Substanz): Sie verbessern die Offenheitsrate, sodass seltener Reinterventionen notwendig werden.