Klinik und Differentialdiagnose der Kollagenose Vortrag 2015

Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich
Klinik für Inneren Medizin, Rheumatologie und Immunologie
Kreiskliniken Esslingen gGmbH, Klinik Kirchheim
Eugenstr. 3, 73230 Kirchheim unter Teck
Tel.: 07021 88-41450
Fax: 07021 88-41459
b.hellmich@kk-es.de

Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich ist seit 2007 Chefarzt der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatolgie der Kreiskliniken Esslingen.

Symptomatik, Diagnostik und Differenzialdagnostik von systemischem Lupus erythematodes, Polymyositis/Dermatomyositis, primärem Sjögren-Syndrom und Sklerodermie wurden in dem Vortrag ausführlich und anhand zahlreicher Fotos dargestellt. Wichtige Message für Allgemeinärzte: Kollagenosen sind systemische Erkrankungen; bei der Diagnostik und Therapie ist daher oft eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachärzten erforderlich. Die Diagnostik darf sich nicht auf Haut und Gelenke beschränken; die Patienten müssen auch auf eine Organbeteiligung hin untersucht werden. Die Diagnosestellung ist nicht immer einfach, da bestimmte Leitsymptome (z.B. Hauteffloreszenzen) bei mehreren dieser vier Kollagenosen vorkommen können.

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

Typische Symptome:
Schmetterlingserythem an Wangen und Nase unter Aussparung der Orbitae (bei Sonnenexposition besonders ausgeprägt, manchmal sogar mit Verbrennungsreaktionen); auch Erytheme im Bereich von Fingern und Rücken können auftreten

Photosensibilität

Alopezie

Exanthem

orale Ulzerationen

Gelenkschmerzen und -schwellungen; Jaccoud-Arthritis (im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis Gelenkdeformierungen ohne knöcherne Erosionen)

Ferner können verschiedene innere Organe beteiligt sein: Nierenbeteiligung:

Die Lupus-Nephritis ist durch eine Urinuntersuchung nachweisbar. Es gibt fünf verschiedene Typen der Lupus-Nephritis, die sich in ihrer Prognose und Therapie unterscheiden und durch die sich die Nierenfunktion des Patienten verschlechtern kann; daher ist eine Zusammenarbeit mit dem Nephrologen unabdingbar.

Zerebrale Beteiligung: Als Symptome können u.a. Kopfschmerzen, Migräne, psychotische Veränderungen und Krampfanfälle auftreten. Ferner kann es zu White Matter Lesions und zum Hirninfarkt kommen. Bei neurologisch auffälligen Patienten sollte eine Abklärung in Kooperation mit einem Neurologen erfolgen.

Polymyositis/Dermatomyositis

Symptomatik:
Leitsymptom Myalgien: Lokalisation generalisiert; nach Belastung („muskelkaterähnlich“); Muskelschwäche schwerwiegender als Schmerzen

Begleitende Hautsymptome, Dyspnoe oder Husten deuten auf die Wahrscheinlichkeit einer Myositis hin.

Typische Symptome einer Dermatomyositis: Gesichtserythem (Differenzialdiagnose Lupus: Bei der Dermatomyositis sind genau diejenigen Bereiche betroffen, die beim Lupus ausgespart sind!); Gottron’sche Papeln, „Mechanikerhände“

Mögliche Organbeteiligungen:
Häufig ist neben der Creatinkinase auch das Troponin erhöht (Myokardbeteiligung!).

Patienten mit Dermatomyositis haben ein um das Sechsfache erhöhtes Malignomrisiko – wichtig: Tumorsuche! Komplettheit der Krebsvorsorge abfragen.

Primäres Sjögren-Syndrom

ist die häufigste Kollagenose; betrifft v.a. die Augen- und Speicheldrüsen (Verminderung der Tränen- und Speichelproduktion).
Symptomatik:
Leitsymptom: Augentrockenheit, durch Schirmer-Test (Einbringung eines Papierstreifens in den unteren Bindehautsack) objektivierbar

Weiteres typisches Symptom: Mundtrockenheit (die Patienten haben Probleme mit dem Herunterschlucken von Nahrung, wenn sie dabei nicht ständig Flüssigkeit zu sich nehmen)

Extraglanduläre Manifestationen (beim Sjögren-Syndrom seltener als beim SLE):

Arthralgien

Zytopenien

interstitielle Lungenerkrankung

sekundäre Vaskulitis

Wenn keine extraglandulären Manifestationen vorliegen, muss diese Erkrankung nicht weiter behandelt werden; die Patienten werden dem Augenarzt vorgestellt und erhalten Augentropfen und eine Speichelersatzlösung. Nur bei einer Systembeteiligung sind weitere diagnostische und therapeutische Schritte erforderlich.

Sklerodermie (systemische Sklerose)

Symptomatik:
Die Erkrankung beginnt normalerweise mit einem Raynaud-Syndrom; später treten als zweites Frühsymptom Schwellungen der Hände, und zwar nicht nur der Gelenke, sondern auch der Weichteile („Puff Hands“) auf.

Als Spätsymptom kommt es zu einer Akrosklerose. Die allmähliche Verhärtung der Haut führt zu Bewegungseinschränkungen.

Außerdem können sehr schmerzhafte und infektionsgefährdete Geschwüren an den Fingerendphalangen entstehen, die heute aber gut vorbeugbar und therapierbar sind.

Weiteres typisches Spätsymptom: Tabaksbeutelmund

Diagnostik:
ACR/EULAR-Klassifikationskriterien 2013, nachzulesen in: van den Hoogen F et al, Classification Criteria for Systemic Sclerosis: An ACR-EULAR Collaborative Initiative, Arthritis Rheum 2013. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3930146/
Mögliche Organbeteiligungen:
Ösophagusmotilitätsstörungen können sich durch Schluckstörungen und Symptome einer Refluxerkrankung äußern.

Es kann eine Lungenfibrose auftreten, die frühzeitig erkannt werden sollte, denn wenn sie fortschreitet, verschlechtert sich die Prognose des Patienten (einmal jährlich die Lungenfunktion untersuchen!). Die Lungenfibrose kann immunsuppressiv behandelt werden.

Einmal pro Jahr sollte eine Echokardiografie erfolgen, da die Patienten eine pulmonalarterielle Hypertonie entwickeln können, die im Herzecho zu erkennen ist.

Bei Vorliegen einer pulmonalarteriellen Hypertonie ist zur weiteren Diagnostik eine Rechtsherzkatheteruntersuchung erforderlich (interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Kardiologen).

Neben diesen vier Krankheitsbildern gibt es auch Overlap-Syndrome und undifferenzierte Kollagenosen mit Symptomen, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen.