Endokrinologie Diabetologie Vortrag 2015

 

  Prof. Dr. med. Stephan Jacob

Praxis für Prävention und Therapie
Brombeerweg 6

78048 Villingen-Schwenningen
Tel.: 07721 504388
Fax: 07721 504389
Mobil: 0177 3555730

 

 

Prof. Dr. med. Stephan Jacob ist Facharzt für innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie. Weiterhin ist er Hypertensiologe und Ernährungsmediziner sowie „Kardiovaskulärer Präventionsmediziner DGPR“. Seit 2006 ist Prof. Jacob als niedergelassener Arzt in privater Praxis für Prävention und Therapie tätig. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Kardio-Metabolische Versorgungsforschung am Lehrstuhl für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin der TU München und Mitglied in zahlreichen Fachgesellschaften.

 

Vorsicht bei Testosteronsubstitution!

Vor einigen Monaten zeigte eine retrospektive Kohortenstudie bei Männern nach Testosteronsubstitution eine erhöhte Rate kardiovaskulärer Ereignisse. Vor einer solchen Therapie sollte also stets geprüft werden, ob auch wirklich ein Testosteronmangel vorliegt; und selbst dann sollte man nicht ohne vorherige Nutzen-Risiko-Analyse Testosteron substituieren! Besonders wichtig ist dies bei Männern mit kardio- oder zerebrovaskulären Ereignissen in der Anamnese.

(Nichts) Neues zum Thema Vitamin D…

Immer wieder zeigen Publikationen, dass ein Vitamin D-Mangel mit kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert ist; aber nach wie vor fehlen Beweise dafür, dass eine Substitution die Situation verbessert. Eine Vitamin D-Substitution ist also nur bei Patienten sinnvoll, bei denen wirklich ein schwerer Mangel an dem Vitamin vorliegt.

Typ 2-Diabetes

Ernährung:
Eine Steuer auf Zucker und Salz hat in Ländern, in denen dies versucht wurde, nichts gebracht, weil das Problem sich nicht auf diese beiden Nahrungsmittel reduzieren lässt. Eine neue Studie zeigt, dass eine mediterrane Ernährung (selbst ohne zusätzliche sportliche Aktivität) der Entstehung von Typ 2-Diabetes vorbeugen kann: Die Probanden, die sich so ernährten, entwickelten seltener einen Diabetes. Extranatives Olivenöl und Nüsse scheinen in dieser Hinsicht eine besonders protektive Wirkung zu haben. Eine andere wichtige Studie ergab, dass die Abendmahlzeiten bei Diabetikern einen starken Einfluss auf das Blutzuckerprofil am nächsten Tag haben: Die Abendmahlzeit sollte klein und möglichst kohlenhydratarm sein (statt eines reichlichen Abendessens ist es besser, ausgiebig zu frühstücken). Insbesondere Snacks vor dem Schlafengehen sollten tabu sein. Patienten, die abends (v.a. zu später Stunde) viel essen, haben am Mittag und Nachmittag des nächsten Tages signifikant höhere Blutzuckerwerte! Typ 2-Diabetiker brauchen nachts niedrige Blutglukosespiegel, damit die Betazellen sich regenerieren und am nächsten Tag mehr Insulin produzieren können.

Medikamentöse Therapie

„Alte“ Medikamente:
Durch Metformin lässt sich in Abhängigkeit von der Therapieadhärenz ein anhaltender Gewichtsverlust (ca. 5 kg bei über 80%-iger Compliance) erreichen. Eine Metforminunverträglichkeit ist häufig darauf zurückzuführen, dass Billigmedikamente Laktose enthalten, die bei manchen Patienten Verdauungsbeschwerden verursachen. In diesem Fall empfiehlt sich der Umstieg auf ein laktosefreies Präparat. Rosiglitazon, das bei uns aufgrund der Nissen-Studie im Jahr 2010 vom Markt genommen wurde, ist mittlerweile von der FDA „rehabilitiert“ worden, und die in den USA geltenden Anwendungsbeschränkungen für das Medikament wurden gelockert, denn eine Neubewertung aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass der Verdacht auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko unter Rosiglitazon nicht bestätigt werden kann. Fazit des Referenten: Glitazone sind weltweit sehr wichtige Medikamente; die neuen positiven Ergebnisse zu Rosiglitazon werden bei uns aufgrund der hohen Kosten der Glitazone jedoch ignoriert.
„Neue“ Medikamente:
Eine unsinnige Sparpolitik erschwert vielen Patienten leider auch den Zugang zu neuen Antidiabetika wie z.B. DPP4-Hemmern und GLP1-Rezeptoragonisten, obwohl diese in Kombitherapien im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen und Insulin deutlich besser abschneiden (gleicher oder niedrigerer HbA1c, höhere Lebensqualität, weniger Hypoglykämien, signifikant günstigerer Gewichtsverlauf und wesentliche Verbesserung kardiovaskulärer Risikofaktoren). Fazit: Man muss nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass jeder Typ-2-Diabetiker im fortgeschrittenen Krankheitsstadium insulinbedürftig wird; statt einer Insulintherapie kann man sowohl schnell wirksame als auch lang wirksame GLP1-Rezeptoragonisten geben. Problem: der Kostenfaktor – wir haben in Deutschland keine evidence-based medicine, sondern eine economy-biased medicine!

Hypoglykämien

Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Prof. Markolf Hanefeld zeigen, dass Patienten, die mit Metformin + Sulfonylharnstoffen behandelt wurden, im Vergleich zu denjenigen, die Metformin + DPP4-Hemmer erhielten, signifikant mehr unerkannte Hypoglykämien erlitten, welche mit schweren EKG-Veränderungen und Arrhythmien einhergingen. Diese Arrhythmien erklären übrigens auch die vermehrte Sterblichkeit aufgrund von Hypoglykämien: Die Arbeitsgruppe um Prof. Hanefeld hat bei Diabetikern experimentell Hypoglykämien induziert und dabei ein vermehrtes Auftreten von Vorhofflimmern, Extrasystolen und v.a. Bradykardien festgestellt. Noch Stunden nach einer Hypoglykämie waren außerdem eine endotheliale Dysfunktion und eine Hyperkoagulation nachweisbar. Besonders erschreckend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die meisten Diabetiker im Hinblick auf „Hypos“ vollkommen uninformiert sind, da dieses Problem in Diabetikerschulungen häufig vernachlässigt wird! Hier ist dringend ein Umdenken erforderlich.