Endokrinologie Diabetologie Vortrag 2016

 

  Prof. Dr. med. Stephan Jacob

Praxis für Prävention und Therapie
Brombeerweg 6

78048 Villingen-Schwenningen
Tel.: 07721 504388
Fax: 07721 504389
Mobil: 0177 3555730

 

 

Prof. Dr. med. Stephan Jacob ist Facharzt für innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie. Weiterhin ist er Hypertensiologe und Ernährungsmediziner sowie „Kardiovaskulärer Präventionsmediziner DGPR“. Seit 2006 ist Prof. Jacob als niedergelassener Arzt in privater Praxis für Prävention und Therapie tätig. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe Kardio-Metabolische Versorgungsforschung am Lehrstuhl für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin der TU München und Mitglied in zahlreichen Fachgesellschaften.

 

Adipositas

Laut Versorgungsdaten von 3800 adipösen Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen und anschließend bis zu 4 Jahre lang nachbeobachtet wurden, ließen sich wichtige Parameter (Neuauftreten eines Typ-2-Diabetes, Hypertonie, Angina pectoris, Herzinfarktrate und Schlafapnoe) hochsignifikant reduzieren. Wichtig ist allerdings, dass solche OPs in hierauf spezialisierten Adipositaschirurgiezentren durchgeführt werden, welche die richtigen Patienten hierfür selektieren und diese auch adäquat nachbetreuen.
Für die medikamentöse Therapie der Adipositas standen in Deutschland bisher kaum Medikamente zur Verfügung. Inzwischen ist Liraglutid als injizierbares Antiadipositum auch in Europa zugelassen; erste Studien zeigen sehr überzeugende Ergebnisse.

Vitamine und Hormone

Bezüglich der Substitution von Vitaminen und Hormonen gibt es keine neue Evidenz.
Hinsichtlich der Gabe von Vitamin D-Präparaten besteht nach wie vor keine Klarheit darüber, in welcher Dosis diese zu verabreichen sind, für welche Patienten sie sinnvoll sind und was sie bewirken sollen. In einer neuen Studie bei älteren Patienten war trotz Normalisierung der Vitamin D-Spiegel innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 1 Jahr kein positiver Effekt auf Fraktur- und Sturzraten festzustellen. Auch große Metaanalysen ergeben bisher keine überzeugende Evidenz dafür, dass irgendwelche Endpunkte sich durch eine Vitamin D-Therapie verbessern lassen. Zwar gibt es durchaus Hinweise darauf, dass eine Vitamin D-Supplementierung bei Patienten mit schwerem Vitamin-D-Mangel sinnvoll sein kann; dennoch ist hier Vorsicht geboten, da bisher keinerlei Evidenz für eine Wirksamkeit existiert.
Je höher der viszerale Fettanteil, umso niedriger ist der Testosteronspiegel – was bei vielen männlichen Patienten mit metabolischem Syndrom in einen verhängnisvollen Teufelskreis mündet. Viele kleinere Studien zeigen, dass weiche Endpunkte wie Glukosestoffwechsel, Blutdruck und Lipide sich unter einer Testosteronsubstitution günstig entwickeln, doch existieren bisher keine kardiovaskukären Endpunktstudien. Zur Frage einer möglicherweise erhöhten Sterblichkeit durch Testosteronsubstitution gibt es zwar mittlerweile größere Studien, die zeigen, dass die Rate kardiovaskulärer Ereignisse dadurch eher sinkt; aber völlige Entwarnung kann bisher noch nicht gegeben werden. Fazit: Eine gezielte Diagnostik ist wichtig; bei Androgenmangel und entsprechenden Symptomen kann ein Therapieversuch mit einer Testosteronsubstitution durchaus sinnvoll sein.

Lebensstilmanagement bei Typ-2-Diabetes

Untersuchungen zeigen, dass Typ-2-Diabetiker morgens ausgiebig frühstücken und sich dafür beim Abendessen eher zurückhalten sollten, da eine solche Ernährungsweise sich positiv auf die Insulinsekretion auswirkt. Insbesondere spätabendliche Mahlzeiten sind für Typ-2-Diabetiker ungünstig.
Auch die Reihenfolge der aufgenommenen Nahrungsmittel spielt eine wichtige Rolle für den postprandialen Blutzuckeranstieg: Kohlenhydrate sollten stets zuletzt verzehrt werden – nach Gemüse, Salat und eiweißreichen Lebensmitteln wie z.B. Fleisch.

Fazit: Schon mit kleinen Veränderungen im Essverhalten lässt sich vieles erreichen; Ärzte sollten sich die Zeit nehmen, ihre Patienten hierüber aufzuklären.

Diabetes und Mikrobiom

Die Entwicklung der Darmbakterien ändert sich im Lebensverlauf. Antibiotika führen zu gravierenden Veränderungen der Darmflora: Je mehr Antibiotika gegeben werden, umso höher steigt das Diabetesrisiko an – vermutlich deshalb, weil die Störung der Darmflora eine Neigung zu Gewichtszunahme und Stoffwechselveränderungen bewirkt.

Gestationsdiabetes und Lebensstilveränderung

Ein erhöhtes Risiko für einen Gestationsdiabetes lässt sich durch Lebensstilmaßnahmen deutlich reduzieren; gleichzeitig wirkt sich dies auch positiv auf das Geburtsgewicht der Kinder aus. Man sollte Schwangeren mit erhöhtem Gestationsdiabetes-Risiko also Unterstützung bezüglich ihres Lebensstilmanagements bieten, denn Insulingaben mit dem Ziel einer normnahen Glukoseeinstellung geht mit einem nicht unerheblichen Hypoglykämierisiko einher.

Inaktivität schädlicher als Übergewicht – oder: „Die fitten Fetten leben gesünder“

Studien zeigen, dass körperlich fitte übergewichtige Menschen ein deutlich besseres kardiovaskuläres Outcome haben. Wichtige Message für „Schreibtischtäter“: Schon geringfügige körperliche Aktivität (Stehen, Auf-der-Stelle-Treten) statt ständigem Sitzen wirkt sich positiv auf Parameter wie BMI, Triglyzeride, HDl-Cholesterin, Blutdruck und Diabetes aus.

Demenz und Diabetes

Diabetiker haben gegenüber Nicht-Diabetikern ein um 60% erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Demenz (erhöht ist hierbei nicht nur die Inzidenz vaskulärer Demenzen; auch nicht-vaskuläre Demenzen treten – wahrscheinlich mitverursacht durch Hypoglykämien – häufiger auf).
Diabetiker, die mit Pioglitazon behandelt werden, entwickeln einer Studie zufolge wesentlich weniger Demenzen als Nicht-Diabetiker.

Neue Antidiabetika

Neue Studien zeigen keine erhöhte Herzinsuffizienzrate für inkretinbasierte Therapien.
Die EMPA-REG-Studie mit dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin ergab signifikante positive Effekte auf zahlreiche wichtige Parameter: systolischer Blutdruck, Gewicht, Bauchumfang, HbA1c. Unter Empagliflozin traten um 14% weniger kardiovaskuläre Ereignisse auf; die kardiovaskuläre Mortalität sank um 38%; ferner war eine erhebliche Reduktion von Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz und eine deutliche Verbesserung der Nephropathie und Niereninsuffizienz zu verzeichnen – und dies bei einem sehr günstigen Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil. Die Dosis (10 oder 25 mg) machte hierbei keinen Unterschied. Möglicherweise sind die vielen verschiedenen positiven Effekte (für die es momentan noch keine Erklärung gibt) auf multifaktorielle Wirkmechanismen zurückzuführen. Fazit: Bei KHK-Patienten braucht man sehr gute Gründe, um ihnen trotz der überwältigenden Evidenz der EMPA-REG-Studie keinen SGLT2-Hemmer zu verordnen.
Auch Triple-Therapien bei Typ-2-Diabetes sind sinnvoll; für die bisweilen vertretene Ansicht, dass man, statt mehr als zwei Antidiabetika zu geben, lieber auf Insulin umsteigen sollte, gibt es keine Evidenz. Ferner sollte die orale Medikation auch im Rahmen einer Insulintherapie weiterhin verabreicht werden; denn dann benötigen die Patienten wesentlich weniger Insulin und haben somit auch ein niedrigeres Hypoglykämierisiko.