Ethik in der Onkologie Vortrag 2015

PD Dr. Jutta Hübner
Leiterin Datenbankprojekt bei der Deutschen Krebsgesellschaft e.V.
Kuno-Fischer-Straße 8; 14057 Berlin

 

 

 

 

Befragungen zeigen: Für Patienten ist das Wichtigste am Lebensende die Wahrung ihrer Würde und die Möglichkeit der Wahl und Kontrolle. Der Angst vor Verlust der Würde ist einer der wesentlichen Gründe, warum todkranke Patienten (in Ländern, in denen dies juristisch möglich ist) vom Angebot des assistierten Suizids Gebrauch machen. Könnte dies auf ein Versagen der Gesundheitssysteme zurückzuführen sein? Das Problem der Ethik ist im Bereich der Onkologie viel stärker ausgeprägt als beispielsweise in der Kardiologie. Warum? Die Patienten haben mit großen Unsicherheiten zu kämpfen: Sie wissen nicht, wie es weitergeht, und haben auch oft nur eine unklare Vorstellung davon, was in ihrem Körper vor sich geht. Viele Krebspatienten haben ihre eigenen Theorien über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten ihrer Krankheit; so glauben sie beispielsweise häufig nicht, dass Übergewicht, Alkohol- oder Nikotinkonsum ihre Krebserkrankung (mit)verursacht haben, sondern glauben eher an andere krankmachende Faktoren wie Stress, psychische Traumata oder schädliche Umwelteinflüsse, von denen wir wissen, dass sie für die Krebsentstehung nur eine sehr geringe oder gar keine Bedeutung haben. Man sollte die Patienten nach diesen persönlichen Krankheitstheorien befragen. In ethischer Hinsicht ist man in der Onkologie mit vielen widersprüchlichen Situationen konfrontiert: So hat der Patient beispielsweise ein Recht auf Selbstbestimmung; dies impliziert die Pflicht des Arztes zur Patientenaufklärung. Andererseits weiß man, dass Krebspatienten nach der Behandlung z.B. häufiger unter kognitiven Funktionsstörungen leiden, wenn man sie zuvor über diese mögliche unerwünschte Wirkung ihrer Therapie aufgeklärt hat. Es ist schwierig, einen Weg zu finden, den Patienten gut aufzuklären und trotzdem Schaden zu vermeiden.
Ein weiteres Konfliktpotenzial liegt gerade im Bereich der Onkologie in den begrenzten Ressourcen unseres Gesundheitssystems: Wie können diese sinnvoll und gerecht verteilt werden?
Einerseits kommen wir – gerade in der Krebstherapie – einer personalisierten Medizin immer näher; andererseits beruhen Entscheidungsalgorithmen auf dem Prinzip der evidenzbasierten Medizin, deren Erkenntnisse auf den Daten Tausender von Patienten beruhen. Auch hier liegt ein nur schwer zu überbrückender Widerspruch.
Fazit: Die Onkologie ist ein medizinischer Bereich, in der Patient und Arzt mit zahlreichen Unsicherheiten konfrontiert sind, die es zu verkraften und auszuhalten gilt.