Gastroenterologie Vortrag 2015

 

 

Prof. Dr. med. T. Andus

Klinikum Stuttgart
Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie,
Hepatologie und Internistische Onkologie
Krankenhaus Bad Cannstatt
Prießnitzweg 24, 70374 Stuttgart
Telefon: 0711 278-62401

tandus@klinikum-stuttgart.de

Prof. Dr. Tilo Andus ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie und internistische Onkologie am Krankenhaus Bad Cannstatt.

 

Leitlinien

In der Gastroenterologie gibt es neue Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (www.dhvs.de/leitlinien) zu folgenden Krankheitsbildern: Refluxkrankheit, Zöliakie, Therapie der chronischen Hepatitis C, Divertikelkrankheit, Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn; außerdem eine DGEM-Leitlinie zur klinischen Ernährung.

Eosinophile Ösophagitis

Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut mit Vermehrung von eosinophilen Granulozyten. Die Inzidenz ist steigend (ca. 50/100.000). Oft präsentieren sich die Patienten mit Bolusereignissen aufgrund von Speiseröhrenstenosen; bei solchen Ereignissen sollte stets an eine eosinophile Ösophagitis gedacht werden. Man weiß, dass viele Patienten unter atopischen Begleiterkrankungen leiden; häufig ist die eosinophile Ösophagitis mit einer Pollenallergie assoziiert. Es handelt sich dabei um eine Immunerkrankung mit gemischter allergischer Reaktion auf Nahrungsmittel- und andere Umweltantigene. Die Behandlung kann mit topischen Steroiden (Budesonid/Fluticason) oder mit einer Eliminationsdiät erfolgen. Bei Stenosen wird endoskopisch dilatiert. Neue Untersuchungen zeigte, dass die eosinophile Ösophagitis eine IgG4-assoziierte Erkrankung ist; dies kann für die Diagnostik der auslösenden Nahrungsallergene eventuell hilfreich sein (Weizen, Eier, Nüsse, Milch).

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Bereits etablierte Medikamente:
Eine neue Studie zeigt: Azathioprin und Infliximab wirken als Monotherapie bei Colitis ulcerosa gleich gut, in Kombination doppelt so gut (haben dann aber voraussichtlich auch mehr Nebenwirkungen). Zwei epidemiologische Studien konnten erstmals nachweisen, dass der Einsatz von Immunsuppressiva und TNF-Antikörpern sich tatsächlich auf den Krankheitsverlauf von Morbus Crohn auswirkt. In einer Studie aus England konnte die Operationsrate durch Einsatz von Thiopurinen um 40% verringert werden. Die zweite Studie zeigt, dass man durch den Einsatz von Azathioprin (als Monotherapie oder in Kombination mit TNF-Antikörpern) die Progression des MC (von entzündlich über stenosierend bis hin zu fistulierend) verlangsamen und ein Fortschreiten der Krankheit z.T. sogar verhindern kann. Es ist jedoch nicht sinnvoll, generell bei allen MC-Patienten gleich nach dem ersten Schub „top-down“ eine Remissionserhaltungstherapie mit Azathioprin zu beginnen!
Neue Medikamente:
Es gibt eine neue, besser wirksame Formulierung von Budesonid: Budesonid-MMX, das erst im Kolon freigesetzt wird (seit Oktober 2014 in Europa als Cortiment MMX zugelassen, für die Behandlung von leichter bis mäßig aktiver Colitis ulcerosa). Ebenfalls neu zugelassen wurde der Integrinantagonist Vedolizumab (Entyvio) zur Behandlung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa (Wirkmechanismus: darmselektive Hemmung der Leukyztenmigration; gutes Sicherheitsprofil; bei CU wirksamer als bei MC). Es kann allerdings vier bis acht Wochen dauern, bis die volle Wirkung eintritt. Noch im experimentellen Stadium: Phosphatidylcholin bei Colitis ulcerosa (bisher positive Effekte in ersten Pilotstudien in Heidelberg; jetzt auch positive Ergebnisse in erster Multicenterstudie bei 5-ASA-refraktären Patienten; praktisch keine Nebenwirkungen).

Infektiologie

Bei der Stuhltransplantation zur Behandlung der Clostridium difficile-Colitis (hohe Heilungsrate im Vergleich zur Vancomycin-Therapie!) gibt es eine erfreuliche Weiterentwicklung: Eine erste Studie aus Boston zeigt, dass man die Stuhltransplantation „appetitlicher“ und keimfreier gestalten kann, indem man Stuhlsuspension konzentriert, in 650 µl 10%-igem Glyzerin resuspendiert und in säurefesten Kapseln tiefgefriert, die sich nach der Einnahme im Dünndarm auflösen (1 Therapie = 30 Kapseln = 48 g ursprüngliche Stuhlsuspension).

Endoskopie

Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge:
Narrow-band-Imaging (NBI) verbessert die Sichtbarkeit von Blutgefäßen und der Pit-pattern-Struktur von Polypen und erhöht die Adenomdetektion. Endoskopische biliodigestive Diversion (EndoBarrier®):
Dieser duodenal-jejunale Bypass-Liner zur endoskopischen Therapie der Adipositas und des Typ 2-Diabetes ahmt die Wirkungsweise eines Roux-en-Y-Magenbypasses nach. Eine erste randomisierte Studie zum Vergleich von Diät und EndoBarrier® ergab einen stärkeren Gewichtsverlust und eine ausgeprägtere Absenkung des HbA1c. Auch kardiovaskuläre Risikofaktoren (Cholesterin und LDL-Cholesterin) ließen sich signifikant stärker reduzieren. Allerdings muss der EndoBarrier® nach einem Jahr wieder entfernt werden; die Frage ist daher, ob die Patienten langfristig nicht doch mehr von einer Operation profitieren. Ein Positionspapier der Fachgesellschaften empfiehlt, den EndoBarrier® als Therapiealternative für erwachsene Patienten mit Typ 2-Diabetes und Übergewicht (BMI 30–45) in Erwägung zu ziehen, wenn diese Patienten unter den Algorithmen nach der Nationalen Versorgungsleitlinie zur Therapie des Typ 2-Diabetes (August 2013) ihre individuellen Therapieziele über einen Zeitraum von 3–6 Monaten nicht erreichen konnten. (Für dieses Patientenkollektiv steht derzeit keine erfolgversprechende andere Therapieoption zur Verfügung.) Für morbid adipöse Patienten (BMI 45–60) ist der Einsatz des EndoBarrier® sinnvoll, wenn eine bariatrische Operation medizinisch indiziert ist, aber wegen eines erhöhten Operationsrisikos zur Vorbereitung auf eine solche OP eine präoperative Gewichtsreduktion erforderlich ist.