Gerontopsychiatrie Vortrag 2015

Prof. Dr. Walter Hewer
Chefarzt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie
Klinikum Christophsbad
Klinik für Gerontopsychiatrie
Faurndauer Straße 6-28; 73035 Göppingen

Tel.: 07161 601-8449
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Demenzerkrankungen: Prävalenz

Bei den Demenzen kommt die Alzheimer-Krankheit am häufigsten vor, gefolgt von der vaskulären Demenz und anderen Demenzerkrankungen. Je älter die Patienten werden, umso häufiger treten Mischformen (insbesondere aus Alzheimer und vaskulärer Demenz) auf.

Aktuelle Therapieempfehlungen

Für die Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Krankheit sind die klassischen Antidementiva (Acetylcholinesterasehemmer, Memantin) zugelassen. Diese können aber auch bei Patienten mit schwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, wobei stets die höchste verträgliche Dosis anzustreben ist. Eine Entscheidung, ob so eine Therapie bei einem individuellen Patienten wirksam ist oder nicht, kann nicht getroffen werden, da es hierfür keine Kriterien gibt.
Für die Behandlung vaskulärer Demenzen sind die obengenannten Antidementiva zwar nicht zugelassen, aber mutmaßlich dennoch wirksam. Aufgrund der häufig vorkommenden Mischformen zwischen Alzheimer und vaskulärer Demenz kann eine Therapie mit solchen Medikamenten den Kostenträgern gegenüber in vielen Fällen gut begründet werden. Neueren Daten zufolge kommt Ginkgo biloba-Präparaten tendenziell ein positiver Stellenwert zu, v.a. wenn die anderen Antidementiva nicht vertragem werden. Der Hauptleidensdruck bei Demenzerkrankungen entsteht nicht durch die eingeschränkte Kognition, sondern durch die damit einhergehenden psychischen Störungen, von denen die meisten Patienten im Verlauf ihrer Krankheit betroffen sind (z.B. Depression, Angst, Aggressivität und Halluzinationen). Bei der Behandlung solcher Störungen sollte man zunächst an nicht-medikamentöse Maßnahmen denken, z.B. ob eine übervolle Blase Unmut erzeugt und unerwünschte Symptome auslöst. Lässt sich hierdurch keine Besserung erzielen, sollten (bei leichten Symptomen) Antidementiva und bei ausgeprägten Symptomen (oder wenn durch Antidementiva keine Besserung zu erzielen ist) Psychopharmaka eingesetzt werden, und zwar symptomorientiert und in vorsichtiger Dosierung. Allerdings haben alle Psychopharmaka Nebenwirkungen; außerdem ist die Sterblichkeit der Patienten unter Antipsychotika im Vergleich zu Placebo erhöht; es ist also sorgfältig abzuwägen, ob man die Patienten diesem Risiko aussetzen möchte.

Prävention

Präventive Maßnahmen gegen Demenzerkrankungen sollten am besten schon in Kindesalter und Jugend beginnen (Bildung, Gesundheitsverhalten, Diabetesprävention). Ab dem mittleren Lebensalter wird eine Primärprävention aber auf jeden Fall relevant. Alle zur Beeinflussung kardiovaskulärer Risikofaktoren (Hypertonie, Diabetes, Rauchen, Übergewicht, Hypercholesterinämie, Bewegungsmangel etc.) sinnvollen Maßnahmen scheinen auch für die Erhaltung der Gehirnfunktion eine wichtige Rolle zu spielen. So gibt es beispielsweise Daten, die zeigen, dass sich das Demenzrisiko bei gefährdeten Personen durch vermehrte körperliche Aktivität signifikant verringert. Allerdings scheint es Zeitfenster für eine wirksame Prävention zu geben: So sind beispielsweise Maßnahmen gegen Hypercholesterinämie und Übergewicht als Demenzprävention wohl nur im mittleren Lebensalter sinnvoll. Förderung von Bildung, sozialer und geistiger Aktivität wirken sich jedoch in jedem Lebensalter positiv aus. Bei der Prävention ist auch auf interdisziplinäre medizinische Maßnahmen betreffend Depressionen, Alkohol-, Sedativaabhängigkeit und schlafmedizinische Erkrankungen (Insomnie, Schlafapnoe-Syndrom) zu achten: So leiden z.B. viele Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe an einer beginnenden Demenz. In der Tertiärprävention ist es wichtig, das Delir als Progressionsfaktor bei Demenz zu beachten. 40 bis 50% der Älteren haben Traumaerfahrungen. Eine Traumareaktivierung im Alter ist nicht ungewöhnlich: Die Erinnerung an Traumen kann im Verlauf von Demenzerkrankungen durchaus zum Thema werden. Psychotraumen in Kindheit und Jugend („Kriegskinder“) können bis ins hohe Alter nachwirken und sind ein Risikofaktor für die körperliche Gesundheit. Eine Therapie ist auch im Alter möglich.