Infektiologie Vortrag 2015

 
Prof. Dr. med. Rüdiger W. Braun   
Labor Enders & Partner, Stuttgart/Esslingen
Zentrallabor Klinikum Esslingen
Hirschlandstr. 97; 73730 Esslingen
Tel.: 0711 3103-3250
Fax: 0711 3103-3344
 
 
 
Prof. Dr. med. Rüdiger W. Braun ist Facharzt für Labormedizin und Infektiologe. Von 1990 bis 1993 war er Leiter des Instituts für Virologie der Bayer AG in Wuppertal danach Direktor und Forschungsleiter bei Bayer Yakuhin Ltd. in Osaka, Japan am Forschungszentrum Kyoto. Seit 1996 Prof. Braun Partner des Labors Prof. Enders & Partner, Stuttgart/Esslingen.
 

Virusgrippe

Der im Herbst 2014 verimpfte Impfstoff wirkt nur teilweise gegen die derzeit kursierenden Stämme, denn das Virus hat sich im Rahmen des Antigendrifts diesmal so weit verändert, dass der Immunschutz bei der bei uns gebräuchlichen Impfung nicht mehr wirksam ist. Wenn Patienten sich also mit der typischen plötzlich einsetzenden Influenza-Symptomatik in der Hausarztpraxis vorstellen, können sie trotz Impfung an Grippe erkrankt sein – also in jedem Fall einen Abstrich machen und (sofern indiziert) relativ zügig mit der Behandlung beginnen!

Neue Entwicklungen in der Sepsistherapie

Prävalenz:
Wir haben in der BRD rund 175.000 Sepsisfälle mit ungefähr 50.000 Todesfällen pro Jahr (aber: Underreporting, weil bei Todesfällen in aller Regel die Grunderkrankung angegeben wird). Die Letalität der schweren Sepsis und des septischen Schocks liegt nach wie vor bei bis über 45%. Bei den Herden steht die Lunge an vorderster Stelle, gefolgt von primärer Sepsis (Herd unbekannt), Wund- und Harnwegsinfektionen. Bei den Erregern hat ein Wandel stattgefunden (Zunahme von Enterokokken und Enterobakterien).
Begriffsdefinition:
Eine Sepsis ist durch zwei der folgenden Kriterien gekennzeichnet: Fieber oder Hypothermie; Herzfrequenz ≥ 90/Min.; Tachypnoe; Leukozytose oder Leukopenie oder ≥ 10% Stabkernige im Differenzialblutbild. Die schwere Sepsis ist definiert als Sepsis mit Dysfunktion mindestens eines Organs; der septische Schock definiert sich durch die Kreislaufparameter ≥ 1 Stunde systolischer Blutdruck ≤ 90 mmHg oder Mitteldruck ≤ 65 mmHg.
Diagnostik:
In den letzten Jahren hat sich das Procalcitonin in der Diagnostik immer mehr durchgesetzt:
Procalcitonin ≥ 10 ng/ml: Sepsis anzunehmen
Procalcitonin ≥ 2 ng/ml: Sepsis wahrscheinlich
Procalcitonin ≤ 0,5 ng/ml: Sepsis unwahrscheinlich
Vor der Therapie einer vermuteten Sepsis sollte man zur Diagnostik zwei Blutkulturen abnehmen. Eine Focussuche ist erforderlich, weil das Keimspektrum und die daraus resultierende Behandlung je nach Focus unterschiedlich sind. Therapie:
Am allerwichtigsten ist es, sofort mit der Behandlung zu beginnen: Jede Stunde Verzögerung bei der Initialtherapie führt zu einer um ca. 7% erhöhten Letalität! Bei der intensivmedizinischen Antibiotikatherapie sind einerseits die Patientencharakteristika zu berücksichtigen (Verteilungsvolumen, Alter/Gewicht, Zusatz-/Vorerkrankungen, Nierenclearance, Leberfunktion), andererseits das vermutete Keimspektrum (grampositiv/gramnegativ, intrazellulär [Legionellen, Listerien], liegen Problemkeime [3-/4-MRGN/MRSA] vor?, kommen Pilze in Betracht?), der vermutete Herd bzw. die vermutete Eintrittspforte und natürlich die Wahl des richtigen Antibiotikums. Hierbei sind folgende Kriterien zu beachten:

  • Keimspektrum
  • Pharmakokinetik
  • Gewebeverteilung
  • Wichtige Frage bei der Dosierung:

Was zählt für die Wirksamkeit – der Trough-Spiegel über der minimalen inhibitorischen Konzentration (MIC) der Substanz oder der Spitzenspiegel? Bei manchen Substanzen (Penicillinen, Cephalosporinen, Carbapenemen, Glykopeptiden) kommt es auf den Trough-Spiegel an; bei diesen ist die Zeitdauer wichtig, in welcher der Spiegel über MIC liegt; hier ist auf eine maximale Dauer der Gabe zu achten. Bei anderen Substanzen (Chinolonen, Aminoglykosiden) kommt es auf den Spitzenspiegel an; bei diesen sollte der maximale Spiegel mindestens zehnmal über MIC liegen. Ferner ist bei der Dosisfestlegung zu berücksichtigen, dass das Verteilungsvolumen bei Sepsispatienten höher (anderthalbmal bis mehr als doppelt so hoch) ist als bei gesunden Personen; insbesondere in der Initialphase der Sepsis ist also eher eine höhere Dosierung anzustreben. Die Substanzen, bei denen es auf den Trough-Spiegel ankommt, sollte man nicht als Bolus, sondern kontinuierlich geben. Chinolone und Aminoglykoside dagegen sollen in hohem Spiegel und wenigen Dosen gegeben werden. Mit dieser Vorgehensweise kann man die Heilungsraten positiv beeinflussen.