Klinik und Differentialdiagnose der Kollagenose Vortrag 2016

Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich
Klinik für Inneren Medizin, Rheumatologie und Immunologie
Kreiskliniken Esslingen gGmbH, Klinik Kirchheim
Eugenstr. 3, 73230 Kirchheim unter Teck
Tel.: 07021 88-41450
Fax: 07021 88-41459
b.hellmich@kk-es.de

 

 

Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich ist seit 2007 Chefarzt der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatolgie der Kreiskliniken Esslingen.

 

Eine frühzeitige Diagnose entzündlicher rheumatischer Erkrankungen ist wichtig, da eine frühe Therapie Gelenkdestruktionen verhindert. Wichtig ist aber auch eine sorgfältige Differenzialdiagnostik, da heute sehr spezifische Therapieverfahren für die einzelnen rheumatischen Erkrankungen zur Verfügung stehen. Die sorgfältige Anamnese gibt häufig schon erste Hinweise; man sollte die Symptome aber mittels Bildgebung objektivieren, um Überdiagnosen zu verhindern.

Entzündliche oder degenerative Gelenkerkrankung?

Im Rahmen der Differenzialdiagnostik sollte man zunächst einmal feststellen, ob es sich um eine entzündliche Erkrankung oder eine Arthrose handelt. Hier einige typische Unterscheidungsmerkmale: Bei der Arthritis bestehen die Schmerzen (im Gegensatz zur Arthrose) in Ruhe und bessern sich durch Bewegung. Die Patienten wachen morgens schon mit Schmerzen auf, während sich die Symptomatik bei der Arthrose in der Regel erst im Tagesverlauf aufbaut. Ferner sprechen Morgensteifigkeit und Besserung durch Anwendung von Kälte eher für einen entzündlichen Gelenkprozess, während eine degenerative Gelenksymptomatik sich eher durch Wärmeanwendung bessert. In seinem Vortrag ging Prof. Hellmich auf die häufigsten Krankheitsbilder und deren Erkennung und Unterscheidung ein.

Monarthritiden

Eine erste grobe Einordnung kann getroffen werden, indem man zunächst einmal feststellt, welche und wie viele Gelenke betroffen sind. Bei einer Monarthritis (wenn nur ein Gelenk betroffen ist) grenzt sich die Diagnose bereits von vornherein sehr stark ein: Man sollte ausschließen, dass es sich um eine Entzündung durch Bakterien (septische Arthritis) handelt, die allerdings extrem selten ist. Ferner könnte es sich bei einer Monarthritis um eine Gicht handeln (bei der am häufigsten das Großzehengrundgelenk betroffen ist, aber auch Knie, Sprunggelenke und Hände können betroffen sein). Ferner gehört zu dieser Kategorie die große Gruppe der Spondyloarthritiden (z.B. Morbus Bechterew).

Polyarthritiden

Bei den Polyarthritiden stellt die häufigste Erkrankung die rheumatoide Arthritis dar; etwa 1% der Bevölkerung ist davon betroffen. Aber auch die seltener vorkommenden Arthritiden bei Kollagenosen und Vaskulitiden gehören zur Kategorie der Polyarthritiden.

Rheumatoide Arthritis (RA)

Typische Zeichen einer bereits etablierten RA sind: Befall der MCP-Gelenke, die deutlich geschwollen sind; Rheumaknoten; und Ulnardeviation durch Strukturveränderungen im Gelenk. Doch unser heutiges Ziel ist ja die Früherkennung der RA, damit solche Gelenkschäden gar nicht erst auftreten können. Solche Frühzeichen sind schwieriger zu erkennen; man sollte sie jedoch ernst nehmen und Patienten bei Schwellungen mit Verdacht auf RA zur weiteren Diagnostik einem bildgebenden Verfahren zuführen.

Differenzialdiagnostik rheumatoide Arthritis / Psoriasis-Arthritis

Bei der Psoriasis-Arthritis ist der Strahlbefall ein wichtiges Unterscheidungskriterium: Man findet nicht wie bei der RA v.a. einen Befall der Fingergrund- und Fingermittelgelenke, sondern eher eine Entzündung an 2–3 Gelenken und auch dazwischen (sog. Daktylitis = „Wurstfinger“ oder „Wurstzehe“ als typisches Charakteristikum). Ein weiteres Anzeichen, das auf eine Psoriasis-Arthritis hindeutet, sind Nagelveränderungen. Jeder 5. Patient weist außerdem eine Beteiligung der Wirbelsäule mit Sakroiliitis und Spondylitis (ähnlich wie beim M. Bechterew) auf. Eine RA kann jedoch auch die Füße betreffen, und die Manifestation dieser Erkrankung kann sogar dort beginnen (Schmerzen in den Zehen in Ruhe und beim Abrollen). Eine Gelenkschwellung ist hierbei nur in seltenen Fällen zu erkennen, doch bei Druckausübung schmerzt das betroffene Gelenk. Auch die Sehnenscheiden sollten auf Schwellungen untersucht werden (häufig: ECU-Sehne). Nicht selten treten Primärmanifestationen an der Sehne auf.

Differenzialdiagnostik rheumatoide Arthritis / Arthrose

Die häufigste Gelenkerkrankung ist die Arthrose. Auch diese kann sich sekundär aktivieren, wobei das Gelenkbefallsmuster ein wichtiges Unterscheidungskriterium zur RA ist; bei der Polyarthrose sind die DIP-Gelenke und PIP-Gelenke, jedoch nur selten die MCP-Gelenke betroffen.

RA: Bildgebende Untersuchungen und Labordiagnostik

Die klinische Diagnose einer RA muss durch Bildgebung und Labordiagnostik gesichert werden. Eine Sonografie hilft beim Nachweis, dass eine Gelenkschwellung wirklich entzündlich bedingt ist (3 charakteristische Kriterien: Gelenkerguss, Synovialishypertrophie, Hyperperfusion in der Power-Doppler-Sonografie). Auch die Sehnenscheiden können betroffen sein (Tendovaginitis). Entzündliche Veränderungen lassen sich auch im MRT nachweisen, wobei man im Vergleich zum Ultraschall hier auch Frühveränderungen am Knochen in Form von gelenknahen Ödemen sieht.
Beim Erstsymptom einer RA sind die Laborwerte noch in 60% aller Fälle normal. Blutsenkung und CRP steigen häufig erst im Verlauf der unbehandelten Erkrankung an. Eventuell muss also zu einem späteren Zeitpunkt nochmals eine Laboruntersuchung durchgeführt werden. Um festzustellen, ob eine RA vorliegt, gibt es Seromarker: v.a. Rheumafaktor, Anti-CCP-Antikörper und den ANA als Abgrenzungskriterium zu den Kollagenosen, wobei der CCP-Antikörper ein besonders spezifischer Marker ist. (Auch Patienten, die CCP-positiv sind und noch keine Beschwerden haben, entwickeln im weiteren Verlauf häufig eine RA.) Das Gelenkpunktat ist ebenfalls ein wichtiges diagnostisches Instrument, denn es liefert letztendlich den ultimativen Beweis für eine Gelenkentzündung.

Spondyloarthritiden

Die 2. große Gruppe der entzündlichen Gelenkerkrankungen sind die Spondyloarthritiden, die sich bei vielen Patienten in einer Entzündung der Wirbelsäule (entzündliche Veränderung der Kreuz-Darmbein-Gelenke) äußert. Weitere diagnostische Kriterien sind: Erhöhung der Blutsenkung und gutes Ansprechen auf NSAR. Häufig besteht eine familiäre Häufung auf genetischer Grundlage und Nachweis des HLA-B27 (bei M. Bechterew in über 90% aller Fälle positiv). Es gibt eine Reihe prädisponierender Erkrankungen wie z.B. Psoriasis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder auch bestimmte Infektionen. An eine Spondyloarthritis sollte immer dann gedacht werden, wenn eine asymmetrische Arthritis oder ein entzündlicher Rückenschmerz plus eines der folgenden Kriterien vorliegt:

Komorbidität einer Psoriasis oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder

positive Familienanamnese einer solchen Erkrankung oder

gluteale Gesäßschmerzen oder

Sehnenproblematik.

Borreliose

Nach einem nicht antibiotisch behandelten Erythema migrans tritt in etwa der Hälfte der Fälle eine Arthritis (und zwar fast ausschließlich des Kniegelenks) auf. In solchen Fällen sollte man eine Borrelien-Serologie (Suchtest: ELISA; Bestätigungstest: Western Blot) veranlassen. Nur bei spezifischen Banden im Western Blot steht fest, dass der Patient tatsächlich Kontakt mit Borrelien hatte; bei Vorliegen einer Monarthritis kann man dann die Diagnose Lyme-Arthritis stellen.