Migrationsmedizin Vortrag 2014

 

Dr. disc. pol. Ibrahim Özkan

Leitender Psychologe des Schwerpunktes Kulturen, Migration und 
psychische Krankheiten
Asklepios Fachklinikum Göttingen
Rosdorfer Weg 70, 37081 Göttingen

 

 

 

Die Versorgung von MigrantInnen oder Menschen mit Migrationserfahrung im Gesundheitsversorgungssystem ist in den letzten Jahren zunehmend in den Blickwinkel von transkultureller Versorgungsforschung gerückt.
Nach aktueller klinischer Erfahrung sind Symptomatiken meist kulturübergreifend. Was aber die jeweiligen Symptome bedeuten und wie man mit ihnen umgeht, das kann durchaus kulturgebunden, wie auch durch Lebensgeschichte oder Persönlichkeit geformt sein. Es hat sich als hilfreich erwiesen, religiöse bzw. kulturelle Vorstellungen und Strategien im Kontext als Möglichkeiten der Bewältigung einer Krise mit einzubeziehen – jedoch kann sich eine Fokussierung auf die „Andersartigkeit“ des Patienten ungünstig auf die Versorgung auswirken. In der Arbeit mit MigrantInnen ist für eine besondere sensible Betrachtung zum Beispiel der familiären Situation (Sozialisation), der Affekte und der körperlichen Konstitution Sorge gleichfalls zu tragen.

Um dem gerecht zu werden, bedarf es seitens des Behandler manchmal mehr Zeit in der Behandlung und Wissen über Zusammenhänge, Rituale und Traditionen in der Kultur des Patienten. Eine durch die Befremdung im Kontakt entstehende Unsicherheit vonseiten des Behandlers kann sich in der Behandlungssituation auf den Patienten übertragen. Meist wird in solchen Situationen oder wegen solcher Situationen versucht „Kompetente“ aufzusuchen, die den Patienten in seinem Anliegen besser verstehen sollen.
Diese Anforderungen stellen multiple Erwartungen an die behandelnde Institution sowie an die gewählte Behandlungsmethode und ihre Theorie. Eine integrierende und sich durch ein transkulturelles Setting öffnende Institution kann diesen Anforderungen gerecht werden sofern eine entsprechende Grundhaltung besteht und dieser Prozess systematisch und reflektiv begleitend durchgeführt wird.
Eine kultursensitive, interdisziplinäre Annäherung und Durchführung ist Bedingung im Umgang mit Erwartungen und Problematiken von Menschen mit einer Migrationsgeschichte.