Onkologie Vortrag 2015

 
  Prof. Dr. med. Lothar Kanz
  Medizinische Universitätsklinik
  Innere Medizin II
  Otfried-Müller-Str. 10
  72070 Tübingen
  Tel.: 07071 29-82726
  Fax: 07072 29-3671
 
 
Prof. Dr. Lothar Kanz ist Geschäftsführender Ärztlicher Direktor der Medizinischen Uniklinik Tübingen und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Onkologie, Hämatologie, Klinische Immunologie, Rheumatologie und Pulmologie.
 

Adipositas und Krebs

Es gibt immer mehr Hinweise auf eine erhöhte Tumorinzidenz bei Übergewicht, insbesondere bei Adipositas. Außerdem haben übergewichtige und adipöse Patienten bei Malignomdiagnose eine schlechtere Prognose (dies gilt v.a. für das Mammakarzinom), und die Tumortherapie ist bei ihnen komplikationsreicher. Bei Frauen ist dieses Risiko ausgeprägter als bei Männern und in hochentwickelten Lädern höher als in „niedrig entwickelten“. Über 60% der auf einen hohen BMI zurückzuführenden Tumore sind Uteruskarzinome, postmenopausale Mammakarzinome und Kolonkarzinome.

Leute, esst Nüsse!

Eine Analyse von Daten aus der Nurses’ Health Study und der Health Professional Follow-up Study zeigt (nach Adjustierung diverser Risikofaktoren) eine statistisch signifikante inverse Beziehung zwischen Nüsseverzehr und tumorbezogener Mortalität, und zwar in Abhängigkeit von der Menge der konsumierten Nüsse. Man sollte den Patienten daher empfehlen, einmal täglich Nüsse zu essen. Allerdings sind verschiedene Faktoren hierbei noch ungeklärt:

  • Gibt es spezielle Nusssorten, die besonders protektiv wirken? (möglicherweise Walnüsse; am empfehlenswertesten ist nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch ein Mix aus verschiedenen Sorten)
  • Wirkmechanismus? (vermutlich Phytochemicals)

Fortschritte in der Therapie der chronisch lymphatischen Leukämie

(als Beispiel für die raschen Entwicklungen im Bereich der zielgerichteten Krebstherapien):
Antikörper gegen CD20: Rituximab gibt es schon lange; im letzten Jahr sind zwei neue voll humanisierte Antikörper zugelassen worden, die noch aktiver sind: Ofatumumab (Arzerra®) und Obinutuzumab (Gazyvaro®). Bei den Ansatzpunkten für eine zielgerichtete Therapie ist in den letzten Jahren insbesondere der B-Zell-Rezeptor in den Fokus gekommen. Dieser Rezeptor sendet, wenn er bindet, Signale in den Zellkern, die zum Wachstum der B-Zelle führen. Wenn diese B-Zelle maligne ist, kann das zur Progression des Malignoms führen. Zwei neu zugelassene Substanzen setzen an diesem Punkt an:

  • Idelalisib (Zydelic®) hemmt die Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K) Delta. (Die PI3K-Delta-Signalvermittlung ist wichtig für die Aktivierung und Vermehrung von B-Lymphozyten.) Idelalisib ist (in Kombination mit Rituximab) für die Zweitlinientherapie des CLL und als Erstlinientherapie für Patienten mit 17p-Deletion und Tp53-Mutation zugelassen. Klinische Untersuchungen zeigen ein hervorragendes Ansprechen.
  • Der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib (Imbruvica®) ist für die gleichen Indikationen zugelassen und ebenfalls sehr wirksam.

Der bisher noch nicht zugelassene Bcl-2-Hemmer ABT-199 greift in die Apoptose ein (hervorragendes Ansprechen bei CLL-Hochrisikopatienten in fortgeschrittenem Stadium). Wir haben also mittlerweile drei Substanzen gegen das CLL (davon zwei bereits zugelassen), die – oral appliziert, als Monotherapie oder in Kombination mit Rituximab – auch bei Patienten mit schlechter Prognose ein hervorragendes Ansprechen zeigen. Diese Substanzen werden sicherlich bald in die Primärtherapie Eingang finden, sodass man diese älteren Patienten, die naturgemäß nur wenig Chemotherapie tolerieren, voraussichtlich in Kürze mit Tabletten behandeln kann, die sehr gut verträglich sind.

Immuntherapie

Es tritt immer deutlicher zutage, dass die Beeinflussung des Immunsystems bei Tumorerkrankungen möglicherweise den entscheidenden Fortschritt bringen wird. Auch auf diesem Gebiet hat sich im letzten Jahr einiges getan, insbesondere in der Hemmung der PD-L1/PD-1-Interaktion. Antikörper gegen PD-1 und PD-L1 wurden im letzten Jahr massiv im Rahmen von Studien eingesetzt, und zwar mit großem Erfolg bei verschiedenen soliden Tumorarten (u.a. bei „austherapierten“ Patienten mit malignem Melanom, bei therapierefraktären Hodgkin-Erkrankungen, nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzinom und metastasiertem Blasenkarzinom).