Onkologie Vortrag 2016

Prof. Dr. med. Lothar Kanz
Medizinische Universitätsklinik
Innere Medizin II
Otfried-Müller-Str. 10
72070 Tübingen
Tel.: 07071 29-82726
Fax: 07072 29-3671
Lothar.Kanz@med.uni-tuebingen.de

 

 

Prof. Dr. Lothar Kanz ist Geschäftsführender Ärztlicher Direktor der Medizinischen Uniklinik Tübingen und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Onkologie, Hämatologie, Klinische Immunologie, Rheumatologie und Pulmologie.

Krebs und Thrombose

Bis zu 10% aller Tumorpatienten entwickeln zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Erkrankung eine Thrombose oder Thromboembolie. Die Tumortherapie erhöht das VTE-Risiko zusätzlich (thrombogene Medikamente; sehr hohes periinterventionelles Thromboserisiko bei Operationen).
Beim Auftreten solcher Ereignisse ist die Prognose der Patienten deutlich schlechter, denn die VTE-Inzidenz korreliert mit der Aggressivität der Tumoren (kurze Gesamtüberlebenszeit): Häufig handelt es sich hierbei um Hirntumoren, Lymphome und Pankreaskarzinome.
Auch bei Gesunden ist eine idiopathische VTE ein Alarmsignal: Bis zu 10% entwickeln innerhalb der nächsten 12 Monate ein Malignom. Die akute VTE kann also eine Erstmanifestation eines okkulten Malignoms sein. Bisher wurde die Frage, ob man bei idiopathischer Thromboembolie massiv nach einem Tumor fahnden sollte, kontrovers diskutiert. Eine neue kanadische Studie zeigt nun, dass ein extensives Screening hier wenig sinnvoll ist: Durch ein CT des Abdomens und Beckens ließ sich bei Patienten mit unerklärlichen Blutgerinnseln in den Beinen und Lungen die Krebsdiagnostik nicht signifikant verbessern. Standarduntersuchungen reichen in solchen Fällen also völlig aus, zumal die Strahlenbelastung bei einem CT des Abdomens hoch ist und man dadurch bei jedem 450. bis 500. Patienten ein strahleninduziertes Malignom verursachen kann.
Zur Prophylaxe der VTE: Eine Antikoagulation führt häufig zu Blutungen. Eine Prophylaxe ist angezeigt

a) bei stationären Patienten, da diese ein besonders hohes Risiko haben (niedermolekulares Heparin [NMH]).
b) Chirurgische Patienten sollten nach der OP bis zu 4 Wochen lang weiterantikoaguliert werden.
c) Ambulante Patienten sind nur bei hohem Risikoscore (hochmalignen Tumoren) mit NMH zu behandeln.

Zu den neuen Antikoagulanzien (NOAKs) gibt es in dieser Indikation bisher noch nicht genügend Daten, daher wird ihr Einsatz derzeit in den Leitlinien (noch) nicht empfohlen.

Krebs – wirklich nur Schicksal?

Im Januar 2015 postulierte der Onkologe Bert Vogelstein in einer Analyse („The bad luck of cancer“), dass die meisten Fälle maligner Tumorerkrankungen nicht verhütet werden können, da das Krebsrisiko in erster Linie auf die Anzahl von Stammzellteilungen im jeweiligen Gewebe zurückzuführen ist. Seit wenigen Wochen gibt es eine "Gegenpublikation" zu der Arbeit von Vogelstein: Hier wird gezeigt, dass das Auftreten maligner Tumore in erster Linie durch extrinsische Faktoren, und weniger durch einen Zufall bestimmt wird. Lebensstilfaktoren spielen also doch in vielen Fällen eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung.

Immuntherapie in der Onkologie

Die Immuntherapie ist derzeit das vielversprechendste Gebiet der Onkologie und wird die Zukunft der Krebstherapie in positiver Weise beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielen hier die PD-1- und PD-L1-Hemmer, auf die verschiedenste Malignome (u.a. Melanom, Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzinom, Blasenkarzinom, Hodgkin-Lymphom) ansprechen und sich zumindest zu einer partiellen Remission bringen lassen. Selbst bei fortgeschrittenen Melanomen sind teilweise erstaunliche Therapieerfolge zu verzeichnen. Die wichtigsten Nebenwirkungen (Hypophysitis, Colitis, Pneumonitis, Hepatitis, Dermatitis, Uveitis) sind auf Automimmunität aufgrund einer Überreaktion der Lymphozyten zurückzuführen.