Pneumologie Vortrag 2014

 

Prof. Dr. med. Dipl. Ing. Helmut Teschler

Medizinische Universitätsklinik
Ruhrlandklinik, Abteilung Pneumologie
Tüschener Weg 40
45239 Essen
Tel.: 0201 433-4001
Fax: 0201 433-4009 

Helmut.Teschler@Ruhrlandklinik.UK-Essen.de

 

Prof. Dr. med. Dipl. Ing. Helmut Teschler, Chefarzt der Abteilung Pneumologie-Universitätsklinik und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum, Universitätsklinikum Essen. 

  

Schlafmedizinische Aspekte:

Ohne Schlaf funktioniert die Biologie nicht, auch wenn es evolutionstheoretisch ein Rätsel ist. Den zahlreiche Deutungsversuchen, warum wir schlafen, fügen Forscher der Rochester-Universität in New York nun eine handfeste physiologische Erkenntnis hinzu: Im Schlaf verwandelt sich das Gehirn in eine Art Waschmaschine. Die Wissenschaftler beobachteten Gehirne von Mäusen und stellten fest, dass sich während des Schlafes die Nervenzellen zusammenziehen und Lücken schaffen, durch die mit der Gehirnflüssigkeit unbrauchbare und giftige Moleküle wie Abwasser aus dem Denkorgan gespült werden – so die Süddeutsche in einem Kurzbericht! Offenbar handelt es sich dabei um tagsüber angehäuften biochemischen Schrott wie das Protein Beta-Amyloid, von dem man annimmt, dass es an der Alzheimerkrankheit beteiligt ist. Die Forschergruppe um L. Xie (Science 34;373:2013) verfolgte die Wege von radioaktiv markierten Molekülen im Gehirn im Wachzustand, im natürlichen Schlaf und in einer Narkose und merkte, dass die Abflussrate mancher Stoffe sich im Schlaf verdoppelt. Schlaf verändert somit die zelluläre Struktur des Gehirns. Es scheint in einen komplett anderen Zustand überzugehen, in dem ein Reinigungsmechanismus das Gehirn von schädigenden Ablagerungen befreit. Bereits im vergangen Jahr hatte Holger Woehrle auf dieser Tagung berichtet, dass in Tiermodellen und in der Wisconsin-Schlaf-Kohorte (AJRCCM 2012; 186:190-194) eine Beziehung zwischen Schlafapnoe und erhöhter Tumorsterblichkeit festgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund untersuchten die Wissenschaftler im Spanischen Schlaf­netzwerk die Assoziation zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Tumor­inzidenz in ihrer großen multizentrischen Kohorte. F. Campos-Rodriguez und Mitarbeiter analysierten die Daten von 4.910 Patienten mit einem mittleren Verlauf von 4,5 Jahren (Campos-Rodriguez F, Am J Respir Crit Care Med. 2013;187:99-105). Der Schweregrad der Schlafapnoe wurde definiert durch den AHI und den prozentualen Anteil des Nachtschlafs mit einer Sauerstoffsättigung < 90 % als Surrogatparameter. Der AHI war insbesondere bei Männern jünger als 65 Jahre mit einer erhöhten Tumorinzidenz assoziiert (HR für einen AHI > 43 vs. < 18,7 = 1,66). Darüber hinaus fand sich eine Beziehung zwischen dem Ausmaß der nächtlichen Hypoxie und der Tumor­inzidenz. Die Therapie der Schlafapnoe könnte also das generelle Tumorrisiko signifikant reduzieren, doch muss diese Hypothese in Interventionsstudien noch abgesichert werden.

Asthma bronchiale:

Insbesondere beim mittelschweren bis schweren Asthma bronchiale werden aktuell zwei Strategien empfohlen. Die konventionelle Behandlung beruht auf der regelmäßigen Anwendung inhalativer Glukokortikoide und langwirksamer Betasympathikomimetika (ICS/LABA). Alternativ werden Fixkombinationen aus ICS und Formoterol zur Erhaltungs- und Bedarfstherapie eingesetzt. Diese Möglichkeit eröffnet der rasche Wirkeintritt von Formoterol bei gleichzeitig langer Wirkdauer. Diese SMART-Therapie genannte Strategie ist einer konventionellen Asthmabehandlung überlegen und erzielt ansonsten eine vergleichbare oder sogar bessere Asthmakontrolle (R. Buhl, Respir Res 13;59:2012, RA Riemersma, Prim Care Respir J 50-56: 2012). Die SMART Strategie ist eine realistische Option für Patienten aller Asthma-Schweregrade, die einer Behandlung mit einem langwirksamen Betamimetikum zusätzlich zu einem inhalativen Steroid bedürfen. Dies gilt in besonderer Weise für Patienten mit instabilem Asthma, ungenügender Therapietreue - insbesondere im Hinblick auf das inhalative Steroid - und für Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko.
Vitamin D spielt in unserem Körper eine wichtige Rolle als Immunmodulator. Bei Patienten mit schwerem Asthma bronchiale findet sich signifikant häufiger ein Vitamin-D-Mangel als bei Patienten mit nur leichter bis mittelschwerer Erkrankung (S. Korn, Respir Res 14:25:2013). Klinische Parameter der Asthmakontrolle sind zudem mit dem Vitamin-D-Spiegel assoziiert. Insbesondere bei Einsatz oraler Steroide zur Kontrolle des Asthmas sollte der Vitamin-D-Spiegel überprüft – und ggfls. eine Substitution durchgeführt werden. Studien zur Wirksamkeit dieser Strategie stehen aber noch aus.

Einige Patienten mit chronischer idiopathischer Urtikaria sprechen nicht auf die Standardtherapie mit H1-Antihistaminika an - auch wenn in hohen Dosen gegeben. Als Behandlungsoption wird unter anderem Omalizumab diskutiert. In einer Phase-III Studie wurden kürzlich 323 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer chronisch idiopathischer Urtikaria, die trotz Behandlung mit H1-Antihistaminika symptomatisch blieben, mit unterschiedlichen Dosen von Omalizumab (Xolair) behandelt (Maurer, NEJM 368:924-935, 2013). Die Autoren berichteten eine hoch signifikante Besserung der Urtikaria bei Dosen von 150mg und 300mg. Diese Befunde decken sich mit eigenen Erfahrungen bei Patienten, die trotz höchster Dosen von H1-Antihistaminika symptomatisch waren und auf Xolair (off lable use!) auch langfristig sehr gut ansprachen.

Schweres Asthma bronchiale ist eine heterogene Gruppe von Erkrankungen mit sowohl eosinophilem als auch nicht eosinophilem – aber vor allem neurophilem - Phänotyp. Für Patienten mit neutrophilen Atemwegserkrankungen werden immer wieder Makrolide als Therapeutikum empfohlen. Um der Sinnhaftigkeit dieser Strategie näher zukommen, wurde eine randomisierte doppelblinde und Plazebo-kontrollierte klinische Prüfung bei Patienten mit schwerem Asthma und hohem Exazerbationsrisiko durchgeführt (G. G. Brusselle, Thorax, 64;322-329:2013), die nachweisen konnte, dass Azithromycin zu einer signifikanten Reduktion der Rate schwerer Exazerbationen des Asthma und von Infektionen der tiefen Atemwege bei Patienten mit nicht-eosinophilem, schwerem Asthma führt. Diese Befunde rechtfertigen zweifellos eine klinische Prüfung des Effektes von Azithromycin in dieser Subpopulation des schweren Asthmas.

Bis zu 80% der Patienten mit Asthma bronchiale wenden ihre Sprays nicht richtig an. Ursache ist wahrscheinlich mangelnde Schulung. Abhilfe schafft nun eine Initiative der Atemwegsliga. Unter der Adresse http.www.youtube.com/atemwegsliga erhält der Patient genaue Anleitungen zur Verwendung der verschiedenen Inhalationshilfen – die übrigens für den verschreibenden Arzt, das Praxispersonal und alle, die Patienten im Umgang mit diesen Geräten schulen, ebenfalls von größtem Interesse sein dürften. Schauen Sie mal rein!

COPD:

Erst vor wenigen Wochen wurde die Liste der Top 10 Erkrankungen aktualisiert, die in den USA 2010 am häufigsten zum Tode führten, zum Verlust von Lebensjahren durch vorzeitigen Tod beitrugen oder verantwortlich waren für die Zunahme von Lebensjahren mit reduzierter Lebensqualität (sogenannte DALYs) (C.J.L. Murray, N Engl J Med 2013;369:448-57). Dieser Statistik zufolge liegt die COPD auf Platz 5 der Todesursachen und auf Platz 2 der Erkrankungen mit deutlich eingeschränkter Lebensqualität – Tendenz auch weltweit weiter steigend.
Epidemiologische Daten der WHO belegen zweifelsfrei, dass Rauchen für 25 Prozent aller Todesfälle von Männern und Frauen im Alter von 35 bis 69 Jahren ursächlich ist. Kürzlich wurde eine aufsehenerregende Studie zum Sterblichkeitsrisiko durch das Rauchen und zum gesundheitlichen Nutzen des Rauchstopps in verschiedenen Altersklassen publiziert (P. Jha, N Engl J Med 2013;368:341-50). Den Daten liegt die Auswertung der Raucherhistorie (Rauchen, Rauchstopp) von 113752 Frauen und 88496 Männern im Alter von 25 und mehr Jahren zugrunde, die zwischen 1997 und 2004 standardisiert befragt wurden. Unter den Studienteilnehmern im Alter von 25 bis 79 Jahren fand sich in der Gruppe der Raucher eine 3-mal höhere Sterblichkeit als unter den Nierauchern. Die erhöhte Sterblichkeit bei den Rauchern war hauptsächlich auf Krebs, Gefäßleiden und andere Gesundheitsstörungen zurückzuführen, die mit dem Rauchen in Verbindung gebracht werden. Die Lebenserwartung war unter den Rauchern um mehr als 10 Jahre gegenüber den Nierauchern verkürzt. Erwachsene, die das Rauchen im Alter von 25 bis 34, 35 bis 44 bzw. 45 bis 54 einstellten, verzeichneten einen Zugewinn an Lebensjahren von 10, 9, bzw. 6 Jahren gegenüber den Studienteilnehmern, die fortgesetzt rauchten. Die Daten dieser Studie veranschaulichen, dass Raucher eine Dekade ihrer Lebenserwartung einbüßen gegenüber Menschen, die nie im Leben geraucht haben. Und diese Prognose gilt für Männer und Frauen nicht nur in USA, sondern global (P Jha, N Engl J Med 2014;370:60-8).

Im gleichen Journal hat Thun (M. J. Thun, NEJM, 368:1753:2013) eine Studie vorgelegt, die die Trends bezüglich der durch das aktive Rauchen bedingten Mortalität in den Vereinigten Staaten in den letzten 50 Jahren darstellt. Für aktuell rauchende Frauen war das Risiko an Lungenkrebs zu versterben im Vergleich zu Frauen, die niemals geraucht haben, in der 60er Jahren um den Faktor 2,73, in den 80er Jahren um den Faktor 12,65 erhöht, heute ist es sogar um den Faktor 25,66 größer. Bei Männern betrugen die entsprechenden relativen Risiken 12,11, 23,81 und 24,97. Weiter bestätigten die Autoren einen Dosis-Wirkungseffekt zwischen Ausmaß des Zigarettenkonsums und COPD-Risiko.
Der „Siegeszug“ von E-Zigaretten ist beeindruckend, insbesondere unter den 15-24jährigen. Die Gesundheitsrisiken sind bisher unklar. Bullen und Mitarbeiter (C. Bullen, Lancet, Sept. 2013) haben eine Studie mit der Frage durchgeführt, ob E-Zigaretten für die Raucherentwöhnung geeignet sind. Randomisiert wurden 657 Raucher, die aufhören wollten – und zwar entweder in einen Arm mit E-Zigarette, Nikotinpflaster oder Plazebo-E-Zigarette. Primärer Endpunkt war die biochemisch überprüfte Abstinenz nach 6 Monaten. Es zeigte sich, dass die Abstinenz mit E-Zigarette 7,3%, mit Nikotinpflaster 5,8% und mit Plazebo-Zigarette 4,1% betrug. Bei einem so geringen Prozentsatz von Probanden, die abstinent waren, war es aus statistischen Gründen nicht möglich, eine Überlegenheit der E-Zigarette in der Raucherentwöhnung zu belegen. Hinweise auf Probleme mit der Sicherheit der E-Zigarette fanden sich nicht. Zwei neuere Arbeiten (Mentz RJ, Am J Cardiol 2013;111:582-7, Stefan MS, Thorax 2012;67:977-84) bestätigen frühere Vermutungen, dass Beta-Blocker bei COPD sicher sind und die Prognose der Patienten bei gleichzeitigem Vorhandensein einer ß-Blocker-Indikation verbessern können. Dabei war der Anteil der Patienten, die mit einem selektiven Blocker (43%) und einem nicht selektiven Blocker (38%) behandelt wurden, in beiden Studien nicht wesentlich unterschiedlich.
Der Einsatz systemischer Steroide in moderater Dosis (z.B. 20-40mg über 2 Wochen) stellt aktuell einen Eckpfeiler der Behandlung bei moderater bis schwerer COPD-Exazerbation dar. In einer Doppelt-Blindstudie verglichen Leuppi und Mitarbeiter (JD Leuppi, JAMA, 309;2223-31:2013) 40mg Prednisolon über 14 Tage mit einer kürzeren Behandlungsdauer von 5 Tagen nach Schema. Dabei fand sich kein Unterschied hinsichtlich der Zeit bis zu nächsten Exazerbation innerhalb des Beobachtungsintervalls von 180 Tagen. Bezüglich der Zeit bis zum Versterben, dem kombinierten Endpunkt von Exazerbation, Tod oder beidem und der Erholung der Lungenfunktion ergaben sich ebenfalls keine Unterschiede. Fazit: Die Steroidtherapie der Exazerbation einer COPD mit 40mg Prednisolon kann im Regelfall von 10-14 Tage auf 5 Tage verkürzt und das Behandlungsintervall demzufolge halbiert werden.
Es wurden in den vergangenen Jahren mehrere Studien veröffentlicht, die über ein signifikant erhöhtes Pneumonierisiko durch Einsatz inhalierbarer Steroide bei Patienten mit COPD berichteten. Janson und Kollegen (C. Janson, BMJ, 346:2013) evaluierten nun bei Patienten mit COPD das Vorkommen von Pneumonien und assoziierten Ereignissen, die mit zwei unterschiedlichen Fixkombinationen behandelt wurden (Fluticason/Salmeterol vs.. Budesonid/Formoterol). Registriert wurden 2746 Pneumonieepisoden. Die Rate der Pneumonien und stationären Einweisungen war in der mit Fluticason/Salmeterol behandelten Gruppe signifikant höher (RR 1,73). Die Rate der Krankenhauseinweisungen betrug in dieser Gruppe 7,4 und in der Gruppe mit Budesonid/Formoterol 4,3. Die Pneumonie-bezogene Sterblichkeit war in der Gruppe mit Fluticason/Salmeterol höher (97 Todesfälle) als mit Budesonid/Formoterol (52 Todesfälle) (RR=1,76), die Gesamtsterblichkeit aber identisch. Ob es sich um einen substanzspezifischen Effekt handelt, muss offen bleiben, weil Fluticason gegenüber Budesonid die potentere Substanz ist. Doch machen diese Ergebnisse erneut klar, dass inhalative Steroide bei COPD unter strenger Indikationsstellung eingesetzt werden sollten.
Ende 2013 wurde in Deutschland das erste Kombinationspräparat aus einem langwirksamen Betamimetikum (LABA) und Anticholinergikum (LAMA), nämlich die Kombination von Indacatarol/Clycopyrronium = Ultibro), eingeführt. Die neue Kombination zeigt in allen publizierten Studien starke Effekte auf die Lungenfunktion. In der SPARK-Studie konnten Wedzicha und Mitarbeiter (JA Wedzicha, Lancet Respir Med 1:199-209:2013) nun erstmals belegen, dass Patienten mit COPD III-IV und mindestens einer Exazerbation im vorausgehenden Jahr mit der Kombinationstherapie signifikant seltener exazerbieren als mit Tiotropium alleine. Diese Befunde lassen hoffen, dass Patienten mit schwerer COPD von dieser Fixkombination insbesondere profitieren könnten.

Bronchiektasen:

Die Zahl von Patienten mit Bronchiektasen, die nicht an einer Mukoviszidose leiden, scheint auch in Deutschland zuzunehmen. Durch aktuelle Studien konnte der Stellenwert der antibiotischen Therapie bei diesen Patienten wiederholt gesichert werden. Inhalative Antibiotika sind indiziert bei Patienten non-CF-Bronchiektasen und Kolonisation mit multiresistenten Erregern und häufiger Exazerbation. Bewährt hat sich ein on-off-Schema mit einem Monat Therapie und einem Monat Pause sowie mikrobiologischer Kontrolle des Sputums nach 4 Zyklen. Bei fehlendem Erregernachweis Pause, andernfalls Fortsetzen des Schemas. Neben den etablierten Substanzen (Colistin, Aminoglykoside, Aztreonam) wurde 2013 in zwei Studien inhalierbares Ciprofloxacin erfolgreich getestet (R. Wilson, ERJ 41:1107-15:2013 und D. J. Serisier, Thorax 68;812-7:2013). Bei Patienten mit vielen Exazerbationen und insbesondere mit Pseudomonas-Besiedelung – trotz inhalativer Antibiotikagabe - sollte darüber hinaus an den Einsatz von Azithromycin in oraler Darreichungsform gedacht werden (J. Altenburg, JAMA, 309:1251-9:2013 und D. J. Serisier, JAMA 309;1260-7:2013) . Dabei darf das erhöhte Risiko für Sekundenherztod, Hörstörungen und die Problematik der raschen Resistenzentwicklung mit all ihren Konsequenzen nicht unberücksichtigt bleiben. Fazit: Diese Patienten gehören zur Mitbehandlung in die Hand spezialisierter Fachärzte – und zwar stationär wie ambulant.