Pneumologie Vortrag 2015

 

Prof. Dr. med. Dipl. Ing. Helmut Teschler

Medizinische Universitätsklinik
Ruhrlandklinik, Abteilung Pneumologie
Tüschener Weg 40
45239 Essen
Tel.: 0201 433-4001
Fax: 0201 433-4009 

Helmut.Teschler@Ruhrlandklinik.UK-Essen.de

 

Prof. Dr. med. Dipl. Ing. Helmut Teschler, Chefarzt der Abteilung Pneumologie-Universitätsklinik und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum, Universitätsklinikum Essen. 

  

Asthma bronchiale

Definition
2014 war das Jahr des Asthmas in der Pneumologie. Die GINA-Strategie für Asthma wurde 2014 grundlegend überarbeitet. Details unter: (http://www.ginasthma.org/local/uploads/files/GINA_Report_2014_Aug12.pdf) Demnach ist Asthma eine heterogene Erkrankung, meist charakterisiert durch eine chronische Entzündung der Atemwege und das Auftreten typischer Symptome wie Atemnot, Brustenge, Giemen und Husten, die im zeitlichen Verlauf und in ihrer Intensität variieren, zusammen mit einer variablen exspiratorischen Atemflusslimitierung. Im Vergleich zur alten Definition fällt die Betonung auf „heterogen“: Es handelt sich um eine Erkrankung mit verschiedenen Pathogenesen, wobei die Asthma-Phänotypen für die Therapieentscheidung eine wichtige Rolle spielen. Das einfache Asthma ist eine Erkrankung des Kindes und jugendlichen Erwachsenen; alle später auftretenden Asthma-Erkrankungen sind komplexer und gehören in die Behandlung eines Facharztes. Weggefallen ist in der GINA-Definition der Bezug auf die Hyperreagibilität und die zumindest teilweise Reversibilität der Atemwegsobstruktion. Warum in der GINA 2014-Strategie auf das Hyperreagibilitätskriterium verzichtet wurde, ist schlecht nachvollziehbar, da dieses Merkmal charakteristisch ist und das Asthma gegenüber anderen obstruktiven Atemwegserkrankungen abgrenzt. Der Verzicht auf das Reversibilitätskriterium der Atemwegsobstruktion ist hingegen nachvollziehbar, da mit diesem Kriterium keine Abgrenzung zur COPD oder zum ACOS (siehe unten) gelingt. Die Diagnose „Asthma bronchiale“ begründet sich somit nach GINA auf dem funktionellen Nachweis einer Obstruktion mit teilweiser oder vollständiger Reversibilität unter Therapie (Zunahme der FEV1 um 12% oder 200 ml und mehr nach Inhalation eines Bronchodilatators oder nach mindestens 4-wöchiger antientzündlicher Therapie).
Asthma-Kontrolle
Der Begriff „Asthma-Kontrolle“ bezieht sich nach der neuen Definition auf die Symptome über die letzten 4 Wochen, die Persistenz der eingeschränkten Lungenfunktion sowie therapierelevante Faktoren wie Inhalationstechnik, Therapietreue und Nebenwirkungen. Erstmals wird klar zum Ausdruck gebracht, dass sich der Begriff Kontrolle auch auf Komorbiditäten bezieht (insbesondere eine Rhinokonjunktivitis, eine Reflux-Problematik, Übergewicht, obstruktive Schlafapnoe, Depression und Angst, die diagnostiziert und behandelt werden sollten). Die Kriterien für ein unkontrolliertes Asthma wurden 2014 klarer definiert. Diese wichtigen Neuerungen wurden im Vortrag von Prof. Teschler ausführlich dargestellt und gewertet. Bei schlechter Symptomkontrolle und/oder Exazerbation empfiehlt es sich als Erstes, die Inhalationstechnik zu überprüfen. (50% aller nicht kontrollierten Astmatiker kann man kontrolliert behandeln, indem man sicherstellt, dass sie die richtigen Medikamente zur richtigen Zeit richtig inhalieren! Unter www.youtube.com/atemwegsliga gibt es Videos mit Bedienungsanleitungen für die unterschiedlichen Geräte.) Als Nächstes sollte man die Diagnose Asthma überprüfen, potenzielle Risikofaktoren ausschalten, Komorbiditäten diagnostizieren und behandeln, die Therapie intensivieren und (wenn dies alles nichts hilft) den Patienten an einen Spezialisten oder eine Asthmaklinik überweisen. Im September 2014 wurde Tiotropium mit dem Handelsnamen Spiriva Respimat™ für die Behandlung von Patienten mit schwerem Asthma zugelassen. Die Zulassung gilt nur für die Behandlung von erwachsenen Asthmatikern, die trotz einer Basistherapie (inhalierbares Steroid und Betamimetikum) noch symptomatisch sind und im Vorjahr mindestens eine Exazerbation hatten. Zugelassen ist die Applikation nur mittels Respimat, nicht über Handyhaler.
Biologicals
Durch Blockade verschiedener Interleukine kann man die Kaskaden der Asthmaphysiologie unterbrechen. In diesem Jahr ist mit der Einführung neuer Biologicals (Anti-IL-4, Anti-IL-5, Anti-IL-13, Anti-Thymic-stromal lymphopoietin) zu rechnen. Bisher ist als Biologikum für die Asthma-Therapie nur der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab (Xolair™) auf dem Markt, der in Stufe 5 bei Erwachsenen mit allergischem Asthma, das trotz leitliniengerechter Therapie nicht adäquat kontrolliert ist, klar empfohlen wird (GINA 2014). Die Entscheidung über die Indikation sowie die Therapieeinleitung gehören in die Hände eines Facharztes.

COPD

Neues zu N-Acetylcystein
Nachdem frühere Studien keinen signifikanten Effekt von N-Acetylcystein auf die Exazerbationsfrequenz von Patienten mit COPD gezeigt hatten, wurde kürzlich in der PANTHEON-Studie die Wirkung einer höheren Dosis von 2 x 600 mg getestet. Darüber hinaus erhielten die Patienten die übliche COPD-Medikation. Es konnte gezeigt werden, dass die Hochdosistherapie mit N-Acetylcystein COPD-Exazerbationen verhindern helfen kann.
Theophyllin – ja oder nein?
Basisdaten von großen aktuellen COPD-Studien zeigen, dass immer noch bis zu 35% der COPD-Patienten mit Theophyllin behandelt werden. Fexner und Kollegen konnten nun in einer Studie auf Basis der COPD-DMP-Daten aus Bayern zeigen, dass bei Einnahme von Theophyllin das Risiko für eine Exazerbation oder eine stationäre notfallmäßige Behandlung für beide Parameter um den Faktor 1,41 erhöht war. Der routinemäßige Einsatz von Theophyllin ist somit im Regelfall kontraindiziert.
Orale Steroide: nicht als Langzeittherapie!
In der Exazerbation der COPD hat die Behandlung mit oralen Steroiden einen hohen und zweifelsfrei evidenzbasierten Stellenwert. Neuere Daten veranlassen jedoch zum Nachdenken bezüglich des langfristigen Einsatzes oraler Kortikosteroide bei COPD. Im NETT-Trial konnte gezeigt werden, dass die mit Steroiden behandelten COPD-Patienten eine deutlich höhere Sterblichkeit aufweisen. Orale Steroide sollten somit keinesfalls zur Langzeittherapie stabiler Patienten mit schwerer oder sehr schwerer COPD eingesetzt werden!
Nicht-invasive Beatmung (NIV)
2014 wurde eine Meilensteinarbeit zum Stellenwert der nicht-invasiven Beatmung bzw. Ventilation (NIV) bei Patienten mit schwerster COPD publiziert. Diese Studie zeigt erstmals, dass die Einleitung einer nicht-invasiven Beatmung für die Langzeitanwendung zu Hause bei Patienten mit schwerster COPD und Hyperkapnie richtig und sinnvoll ist. Durch diese Maßnahme wird die Sterblichkeit in einem überraschend hohen Ausmaß (21%) gesenkt. Das Entscheidende in dieser Studie ist, dass bei Patienten mit stabiler COPD, die von der NIV profitieren, eine manifeste Hyperkapnie (PaCO2 52 mmHg und mehr) vorliegen muss und die Beatmung so eingestellt wird, dass der PaCO2 abgesenkt oder sogar normalisiert wird. Dazu sind höhere Druckwerte erforderlich, als in den bislang negativen Studien eingestellt. Damit besteht eine klare Indikation zur regelmäßigen Überprüfung der Beatmungsindikation mit NIV durch Blutgasanalyse bei schwerer und sehr schwerer COPD.

Asthma-COPD-Overlap-Syndrom

Für die Mischform aus Asthma bronchiale und COPD wurde in GINA 2014 und in der revidierten GOLD-Strategie 2014 erstmals der Begriff Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS) geprägt. In einem Positionspapier der GINA- und der GOLD-Arbeitsgruppe wird als unabdingbare Voraussetzung für ein ACOS das Vorliegen einer dauerhaften Atemwegsobstruktion gefordert. Im Umkehrschluss kommt ein ACOS nicht infrage, wenn die Obstruktion durch Einsatz von Bronchodilatatoren komplett reversibel ist. Typischerweise sind ACOS-Patienten älter als 40 Jahre, da eine COPD bei jüngeren Patienten normalerweise nicht vorkommt. Erste Publikationen zeigen, dass ACOS-Patienten relativ viele Medikamente benötigen, da eine vermehrte Symptomatik vorliegt und Exazerbationen häufiger als bei COPD vorkommen. Als Klassiker gilt der Patient, der als Kind oder Jugendlicher bereits unter einem Asthma litt und später angefangen hat zu rauchen, sodass sich ein Mischbild entwickeln konnte. Es ist zu vermuten, dass zirka 15–20% aller Patienten mit Asthma oder COPD die Kriterien für ein ACOS erfüllen. Die Diagnose sollte nur nach ausführlicher Diagnostik gestellt werden. Die Behandlung erfolgt überwiegend wie bei einem Asthma: Inhalierbare Steroide stehen an erster Stelle, und zwar in Kombination mit einem Betamimetikum. Bei weiterhin symptomatischen Patienten gibt man ein langwirksames Anticholinergikum wie Tiotropiumbromid (Spiriva™) hinzu.

Urtikaria

Neu ist die Zulassung für Omalizumab für Patienten mit chronischer idiopathischer Urtikaria (CIU), einer Form von chronischer Nesselsucht. Die neue Anwendung gilt für Patienten ab 12 Jahren, deren Symptome trotz Behandlung mit H1-Antihistaminika anhalten. Bis dahin war eine Behandlung mit H1-Antihistaminika die einzige zugelassene Therapie bei CIU, wobei rund 50% der Patienten ungenügend auf eine solche Behandlung ansprechen.

Pneumokokkenimpfung

Die CAPITA-Studie zur Überprüfung der Effektivität des 13-valenten Pneumokokken-Impfstoffs zur Prävention einer CAP (ambulant erworbenen Pneumonie) wurde inzwischen auf internationalen Kongressen vorgestellt. Sie zeigt eine 45%-ige Reduktion der durch die im Impfstoff enthaltenen Serotypen induzierten Pneumonie und eine um 75% reduzierte Frequenz invasiver Pneumokokkenerkrankungen. Die STIKO hat ihre Empfehlungen vor Bekanntwerden der Studienergebnisse aktualisiert und deshalb den Konjugatimpfstoff immer noch als gleichwertig eingestuft. Bei Immunsupprimierten wird aktuell von der STIKO eine sequentielle Impfung (zuerst Konjugatimpfstoff, dann Polysaccharidimpfstoff) empfohlen, um eine möglichst breite Serotypenabdeckung zu erreichen.