Update Angiologie 2019

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Prof. Dr. Erwin Blessing

  • Chefarzt Innere Medizin, SRH Klinikum
  • Karlsbad-Langensteinbach GmbH
  • Guttmannstraße 1
  • 76307 Karlsbad

Commander-HF-Studie: Orale Antikoagulation bei Herzinsuffizienz ohne Vorhofflimmern?

In der im letztes Jahr auf dem ESC-Kongress in München präsentierten doppelblinden Studie Commander-HF erhielten Patienten mit Herzinsuffizienz mit eingeschränkter LV-Funktion und unlängst eingetretener Verschlechterung (Krankenhausaufenthalt) bei erhaltenem Sinusrhythmus und koronarer Herzerkrankung (KHK) zusätzlich zu ASS Rivaroxaban 2 x 2,5 mg oder Placebo. Die Hypothese lautete, dass sich durch die zusätzliche Rivaroxabangabe Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren lassen würden.
Ergebnis: Die zusätzliche Gabe von Rivaroxaban brachte für keinen der primären Endpunkte (Gesamtmortalität, Herzinfarkt oder Schlaganfall) einen signifikanten Benefit. Die Häufigkeit von Major Bleedings war jedoch signifikant erhöht.

Fazit: Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, eingeschränkter Pumpfunktion sowie KHK ohne Vorhofflimmern reduziert niedrigdosiertes Rivaroxaban den kombinierten Endpunkt aus Gesamtmortalität, Herzinfarkt oder Schlaganfall nicht und verringert auch nicht die Häufigkeit von Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz. Orale Antikoagulation ist bei Herzinsuffizienz ohne Vorhofflimmern nicht indiziert.

Hokusai VTE Cancer-Studie: Edoxaban bei Patienten mit tumor-assoziierten venösen Thromboembolien

Niedermolekulares Heparin ist der Goldstandard in der Behandlung von tumor-assoziierten Lungenembolien/TVT. Die Rolle von oralen Antikoagulanzien ist unklar. In der Hokusai VTE Cancer-Studie erhielten Tumorpatienten mit akut symptomatischer oder als Zufallsbefund diagnostizierter VTE (Lungenembolie und/oder TVT) entweder niedermolekulares Heparin für mindestens 5 Tage und anschließend Edoxaban 60 mg (1x tgl.) oder Dalteparin 200 IU/kg KG für 4 Wochen (1 x tgl.), dann 150 IU/kg KG (1 x tgl.) (Behandlungsdauer: 6 bis 12 Monate).
Ergebnis: Edoxaban ist nicht-unterlegen gegenüber Fragmin bzgl. des kombinierten Endpunktes (erneute venöse Thromboembolie und Major-Blutungen). Unter Edoxaban kam es zu weniger Rezidiven an venösen Thromboembolien, aber zu mehr Major-Blutungen. Der Hauptanteil an Blutungen waren obere GI-Blutungen und traten überwiegend bei Patienten mit Tumor des GI-Traktes auf.
Fazit: Orale Antikoagulation mit Edoxaban ist eine Alternative zu niedermolekularem Heparin bei Tumorpatienten mit stattgehabter Thromboembolie.
(Gary E. Raskob et al.: Edoxaban for the Treatment of Cancer-Associated Venous Thromboembolism. The New England Journal of Medicine. 2018. 378(7):615-624)

Venöse Thromboembolien und Folgeerkrankungen

Thromboembolische Ereignisse werden aufgrund zunehmender Risikofaktoren (Herzinsuffizienz, Hypertonie, Alter, Diabetes, Gefäßerkrankungen usw.) immer häufiger.
Eine tiefe Venenthrombose (TVT) kann zu einer Lungenembolie mit pulmonaler Hypertonie als möglicher Spätfolge führen. Sie kann aber auch zu einem postthrombotischen Syndrom führen. Nach relevanter proximaler tiefer Venenthrombose kommt es in bis zu 50% aller Fälle zu einem solchen Syndrom. Trotz Antikoagulation, Mobilisation und Kompression tritt das postthrombotische Syndrom nach TVTs häufig auf.
Was tun?
Kommt es bei einem Patienten mit Beckenvenenverschluss unter Kompression, Frühmobilisation und Vollantikoagulation nicht zu einer Besserung, kann eine Kombination aus Lyse und interventioneller Rekanalisation sinnvoll sein und zu einer raschen Besserung führen.
Bitte beachten: Wenn nur Oberschenkelvenen und Unterschenkelvenen, aber keine Beckenvenen betroffen sind, reichen Kompression, Antikoagulation und Frühmobilisation völlig aus. Nur wenn die Beckenachse mitbetroffen ist, ist eine Lyse und interventionelle Rekanalisation erforderlich.

Indikationen zu einer Rekanalisation sind:

Akuter Beckenvenenverschluss:
Phlegmasia coerulea dolens (Notfall)
Prävention postthrombotisches Syndrom
Chronischer Beckenvenenverschluss:
Behandlung postthrombotisches Syndrom:
Nichtheilende venöse Ulcera
Venöse Claudicatio
Pelvic congestion Syndrom
Eine Rekanalisation in chronischem Stadium ist möglich in erfahrenen Zentren (technisch anspruchsvoll).

pAVK: Unerfreuliche Neuigkeiten zu medikamentenbeschichteten Ballons und Stents

Kaum ein Thema wird in der interventionellen Community zurzeit so heiß diskutiert wie eine vor wenigen Wochen publizierte Metaanalyse.
Einer der größten Fortschritte und Durchbrüche in der Verhinderung von Restenosen in der Peripherie ist die Verwendung von medikamentenbeschichteten Ballons. Ähnliches gilt auch für die Stents. Die Datenlage bzgl. der verbesserten Offenheit durch Verwendung von medikamentenbeschichteten Ballons und Stents ist überzeugend.
Die oben erwähnte Metanalyse zeigt nun, dass in den bislang durchgeführten randomisierten Studien, in denen medikamentenbeschichtete Ballons oder Stents mit unbeschichteten Ballons oder Stents verglichen wurden, nach 2 Jahren die Sterblichkeit zuungunsten der Medikamententherapiegruppe ansteigt. Dieser Trend setzt sich auch nach 4–5 Jahren weiter fort. Es sind zwar nicht viele Patienten, die überproportional häufig an bestimmten Ereignissen versterben; doch wenn es zu Todesfällen kommt, stehen kardiovaskuläre und pulmonale Ursachen sowie Infektionen im Vordergrund. Größere Studien hierzu sind notwendig.
(Konstantinos Katsanos et al.: Risk of Death Following Application of Paclitaxel‐Coated Balloons and Stents in the Femoropopliteal Artery of the Leg: A Systematic Review and Meta‐Analysis of Randomized Controlled Trials. Journal of the American Heart Association. 2018;7)

Hier können Sie den Vortrag anhören: