Update Gastroenterologie 2017

 

Prof. Dr. med. T. Andus

Klinikum Stuttgart
Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie,
Hepatologie und Internistische Onkologie
Krankenhaus Bad Cannstatt
Prießnitzweg 24, 70374 Stuttgart
Telefon: 0711 278-62401
tandus@klinikum-stuttgart.de

 

Neue gastroenterologische Diagnostik

Die Evidenz für eine Vorsorge-Gastroskopie bei Barrett-Ösophagus war bisher relativ schlecht; jetzt hat eine große amerikanische Kohortenstudie mit knapp 30.000 Patienten, von denen rund 50% eine Vorsorge-Gastroskopie erhielten, gezeigt, dass die Vorsorge-ÖGD mit einem niedrigeren Krebstodrisiko einhergeht. Diese Untersuchung ist also tatsächlich sinnvoll (v.a. bei Long-Barrett-Patienten).
Voraussichtlich wird sich die Barrett-Diagnose bald per Atemtest stellen lassen. Auch an der Entwicklung einer Magenkrebsdiagnostik durch Atemtest wird gearbeitet. Solche Innovationen könnten uns künftig in vielen Bereichen die Diagnostik erleichtern, weil man dann nur noch auffällige Patienten, bei denen dies wirklich unumgänglich notwendig ist, endoskopisch untersuchen muss.

 

Neues zu Säureblockern

Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am häufigsten verordneten Medikamenten. Eine im letzten Jahr veröffentlichte große prospektive AOK-Daten-Kohortenstudie mit 73.679 Personen untersuchte das Demenzrisiko durch PPI und ergab, dass dieses um das 1,4-Fache erhöht war. Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine randomisierte, kontrollierte Studie; außerdem waren viele Risikofaktoren (z.B. Adipositas, Hypertonie, Rauchen, Alkohol) nicht erfasst und eventuell ungleich verteilt, und OTC-Medikationen wurden nicht erfasst. Eine Ende letzten Jahres publizierte Metaanalyse von 4 Studien ergab kein erhöhtes Demenzrisiko unter PPI.
Leberzirrhotiker haben allerdings unter einer Therapie mit PPI ein erhöhtes Risiko für eine hepatische Enzephalopathie; bei diesen Patienten sollte man mit der Verordnung solcher Medikamente also vorsichtig sein. Grundsätzlich gilt wie bei allen Arzneimitteln: So viel und so oft wie nötig, aber so wenig wie möglich!
In Japan wurde im Jahr 2015 ein neuer Kalium-kompetitiver Säureblocker (Vonoprazan) zur Behandlung magensäureassoziierter Erkrankungen zugelassen. Dieses Medikament ist relativ gut verträglich und sehr effektiv, mit einer deutlich besseren Eradikationsrate für Helicobacter im Vergleich zu PPI. Es könnte sein, dass dieses Arzneimittel auch in Deutschland auf den Markt kommt.

 

Neues zu Säureblockern

Infliximab oder Adalimumab?
Eine retrospektive Kohortenstudie verglich die Wirksamkeit und das Nebenwirkungsprofil einer Infliximab- versus Adalimumab-Ersttherapie bei Patienten mit Morbus Crohn (MC) an jeweils 1020 Patienten. Fazit: Infliximab war dem Adalimumab bezüglich Hospitalisationen, Bauchoperationen und der Notwendigkeit einer Steroidtherapie überlegen; dieser Unterschied war jedoch nicht groß. Im Hinblick auf Nebenwirkungen gab es keinerlei Unterschiede.

Bottom up oder Top down?
Die übliche Vorgehensweise bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) besteht in einer sequenziellen Anwendung von Mesalazin oder Kortikosteroiden, Immunsuppressiva und TNF-Antikörpern. Manche Gastroenterologen vertreten jedoch den Standpunkt, dass die Strategie „Hit hard and early“ besser ist. In einer großen randomisierten Studie, der REACT-Studie, wurde nun ein konventionelles Therapiemanagement mit einer frühzeitigen Kombinationstherapie mit Adalimumab und einem Immunsuppressivum verglichen. Das Ergebnis war enttäuschend: Kein signifikanter Unterschied im Hinblick auf den primären Endpunkt (symptomatische Remission)! Hier zeigt sich, dass eine unterschiedslose „Top down“-Therapie bei allen Patienten nicht wirklich sinnvoll ist. Stattdessen sollte man eine individualisierte Therapie in Abhängigkeit von der Schwere des Krankheitsverlaufs und den Risikofaktoren anstreben.

Neu: Ustekinumab (Stelara®) bei TNF-Versagern
Ustekinumab wurde Ende letzten Jahres in Europa für die Behandlung von Morbus Crohn (MC) zugelassen. In der Phase-3-Studie UNITI-1 wurden MC-Patienten, die auf TNF-Antikörper nicht mehr ansprachen, mit Ustekinumab versus Placebo behandelt; für die Ustekinumab-Therapie ergab sich ein signifikanter Vorteil (NNT = 8). Bei den nicht mit Anti-TNF vorbehandelten Patienten ist der Therapievorteil höher (NNT = 4). Die häufigsten Nebenwirkungen sind Infektionen und Myalgien.

 

Neues zum Darm-Mikrobiom

Morbus Crohn
Anhand von Rektumschleimhautbiopsien wurde festgestellt, dass MC-Patienten und deren Geschwister eine veränderte Darmflora (weniger diverse Core microbiota) haben. Die Rate eines bestimmten Bakteriums (Faecalibacterium prausnitzii) ist verringert.
Eine zweite kleine Studie untersuchte das Mikrobiom vor und nach Ileozökalresektion und fand Unterschiede in der Darmflora zwischen Patienten in Remission und mit Rezidiv: Eine „gute mukosale Darmflora“ ist mit einer postoperativen Remission assoziiert!
Die Darmflora könnte für die Pathogenese und den Verlauf dieser Erkrankung also eine Rolle spielen.

Reizdarm
Bei einer Analyse des Stuhls und von Darmbiopsien von 110 ambulanten Reizdarmpatienten und 17 Gesunden in Schweden wurde eine Mikrobiom-Signatur entdeckt, die mit dem Schweregrad des Reizdarm-Syndroms assoziiert ist, wobei auch hier eine negative Korrelation zwischen der Diversität der Darmflora und dem Schweregrad bestand.

Zöliakie
Auch bei Zöliakie-Patienten unterscheiden sich die Dünndarmbakterien von denen gesunder Menschen. (Sie erhöhen die Immunogenität von Gluten, während die Bakterien von Gesunden sie erniedrigen.)

 

Endoskopie und Antikoagulation: neue Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Endoskopie

Thrombozytenaggregationshemmer

  • Bei einer Niedrigrisikoprozedur (normale Gastroskopie oder Koloskopie) kann eine Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer fortgeführt werden, wenn das kardiovaskuläre Risiko des Patienten es erfordert.
  • Bei einer Hochrisikoprozedur (z.B. größere Polypektomie, PEG-Anlage) hängt die Vorgehensweise ebenfalls vom kardiovaskulären Risiko ab: Bei niedrigem KV Risiko (ischämische Herzerkrankung ohne Kornonarstent, zerebrovaskuläre Erkrankung, PAVK) sollte man Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor 5 Tage vor der Endoskopie pausieren. (Falls der Patient zusätzlich auf ASS eingestellt ist, kann dieses weiterhin genommen, also eine Doppel- auf eine Einfach-Antikoagulation umgestellt werden.) Bei hohem KV Risiko (Kornonarstent) ist das Vorgehen mit dem behandelnden Kardiologen abzusprechen.

 

Marcumar und neue direkte orale Antikoagulanzien (DOAC)

  • Bei einer Niedrigrisikoprozedur braucht man Marcumar oder Warfarin, sofern der INR nicht zu hoch ist, nicht abzusetzen. Das DOAC sollte am Morgen der Prozedur nicht gegeben werden.
  • Bei einer Hochrisikoprozedur sollte man Warfarin 5 Tage, Marcumar 7 Tage vor der Prozedur stoppen. Bei Patienten mit hohem KV Risiko ist ein Bridging mit niedermolekularem Heparin erforderlich. Bei DOACs sollte man die Gabe 2 Tage vor der Prozedur pausieren.

 

 

Neue endoskopische Therapien

Das Problem der endoskopischen Therapie von Barrett-Neoplasien ist das Auftreten von Rezidiven oder metachronen Läsionen, die bis zu 30% betragen. Hier hat sich die Hochfrequenzablation, mit der man die ganze Barrett- Schleimhaut entfernen kann, zur sekundären Krebsprävention als gute Lösung erwiesen: Dieses Verfahren verursacht im Gegensatz zur endoskopischen Submukosadissektion (ESD) viel weniger Strikturen. Studien beweisen, dass die Rezidivrate dadurch sinkt.