Update Hepatologie 2017

 

Prof. Dr. med. Michael Geißler

Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, 
Onkologie/Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie
Klinikum Esslingen a. N.
Hirschlandstr. 97
73730 Esslingen
Tel.: 0711 3103-2451
m.geissler@klinikum-esslingen.de

 

Medikamentöser Leberschaden (DILI)

Bei Patienten, die ein potenziell hepatotoxisches Medikament einnehmen, müssen die Transaminasen überwacht werden. Selbst nach Absetzen solcher Medikamente bildet sich eine Medikamententoxizität der Leber einer neuen Studie zufolge nicht unbedingt innerhalb weniger Wochen zurück; sie kann bis zu 2 Jahre lang chronifiziert weiterbestehen und voranschreiten, und es kann sich sogar eine Leberzirrhose entwickeln, obwohl das auslösende Agens längst weggefallen ist.
Prädiktive Faktoren für einen medikamentös-toxischen Leberschaden mit chronischem Verlauf bis hin zur Zirrhose sind:

  • initial hoher DILI-Schweregrad
  • hohes Alter
  • vorbestehende Fettleber
  • Dyslipidämie.

 

Einer der Hauptauslöser ist Amoxicillin-Clavulansäure. Weitere Medikamente mit Zirrhose-Assoziation sind:

  • Atorvastatin
  • Bentazepam
  • Ebrotidin
  • Clopidogrel
  • Ibuprofen
  • Ranitidin.

 

Erhöhte Transaminasen: Diagnostik
Aufgrund einer neuen Studie ist eine fokussierte Diagnostik sinnvoller als extensives Testen (führt zu weniger falsch positiven Diagnosen und weniger Biopsien). Bei der initialen Abklärung einer Leberwerterhöhung sollte man also ruhig Mut zur Lücke haben!

 

Hepatitis B (HBV)
In der Schwangerschaft
Eine kleine Studie aus dem Jahr 2014 hatte ergeben, dass man das Risiko einer perinatalen Transmission bei HBVinfizierten Schwangeren durch Gabe von Tenofovir um 20% reduzieren kann. Dieses Jahr erschien im NEJM eine erste randomisierte Studie zum Thema Tenofovir vs. keine Therapie in der Schwangerschaft bei hochvirämischen werdenden Müttern: Die perinatale Transmissionsrate lag bei 5% in der Tenofovir-Gruppe vs. 18% in der nicht behandelten Gruppe. Man sollte also in der 28.–32. Schwangerschaftswoche eine Tenofovir-Therapie einleiten und die Frauen bis zum Ende der Schwangerschaft damit behandeln. Es handelt sich hierbei um eine relativ sichere Therapie, bei der es allerhöchstens zu einer Kreatininerhöhung kommen kann; die Therapieversagensrate liegt bei 5%.

Vielversprechende neue Arzneimittelsubstanz
Der am Universitätsklinikum Heidelberg entwickelte Wirkstoff Myrcludex B blockiert den HBV-Rezeptor, sodass das Virus nicht mehr in die Hepatozyten eindringen kann. Eine First-in-human-Studie hat ergeben, dass es sich hierbei um eine sichere Therapie handelt; in Kombination mit Interferon konnten die DNA-Level damit bei allen Patienten auf Null gedrückt werden. Die Substanz ist gut verträglich und wirkt auch gegen Hepatitis D – eine vielversprechende Therapie für die Zukunft!

 

Hepatitis C (HCV)
HCV-assoziierte Komplikationen
Das HC-Virus verursacht nicht nur Hepatitis, sondern führt auch häufig zu extrahepatischen Manifestationen wie 10 Vaskulitis, Typ-2-Diabetes, Sjögren-Syndrom, Depressionen, kardiovaskulären und Nierenerkrankungen. Insbesondere die kardiovaskuläre Mortalität ist bei HCV-Patienten hoch. Man muss bei diesen Patienten (insbesondere wenn sie eine Fettleber haben) also auch das kardiovaskuläre Risiko im Blick behalten. So ist beispielsweise das Risiko für Karotis-Plaques bei einer chronischen HCV-Infektion stark erhöht.

Therapie
Das Ziel der Therapie besteht nicht nur darin, das Virus aus dem Körper zu eliminieren, sondern auch das Überleben zu verlängern. Es konnte nun erstmalig gezeigt werden, dass eine erfolgreiche HCV-Therapie mit Interferon, durch die ein anhaltendes virologisches Ansprechen (SVR) erreicht wurde, die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten wieder bis auf die Lebenserwartung von Menschen ohne HCV normalisierte, und das bei HCV-Patienten mit kompensierter Zirrhose! Wenn die Patienten nicht auf die Therapie ansprechen oder im Verlauf dekompensieren, haben sie im Vergleich zur Normalbevölkerung hingegen eine deutlich schlechtere Prognose.
Auch in diesem Jahr sind wieder neue direkt wirksame antivirale Substanzen (DAA) (Voxilaprevir, Glecaprevir und Pibrentasvir) hinzugekommen. Weitere vielversprechende Substanzen werden zurzeit in Studien untersucht. Mit vielen der neuen Medikamente lässt sich mittlerweile schon ein komplettes virologisches Ansprechen erreichen, und sie sind auch sehr gut verträglich. Auch bei Problempatientengruppen inklusive Resistenzen lässt sich mit Drittgenerations-Kombitherapien zu 98% ein SVR erreichen. Viele Patienten konnte man aufgrund einer antiviralen Therapie mittlerweile sogar von der Warteliste für eine Transplantation streichen!
Die Kosten sind allerdings – insbesondere bei den Kombinationstherapien – sehr hoch. Daher wäre es wichtig, von der „One size fits all“-Strategie (alle Patienten erhalten entweder eine 12- oder 24-wöchige Behandlung) weg zu einer stärker individualisierten Therapie zu kommen. Abhängig von Viruslast, Alter, Vorerkrankungen, Vorbelastung der Leber etc. könnte es künftig Patienten geben, die vielleicht nur 6 Wochen lang eine Zweierkombinationstherapie benötigen, während für andere eine 12-wöchige Standardtherapie mit einer Zweier oder- Dreierkombination ausreicht und nur wenige Hochrisikopatienten eine 16-wöchige Therapie brauchen. In diese Richtung sollte die Forschung sich bewegen.
WICHTIG: Chronische HCV-Patienten, die mit diesen sehr wirksamen DAA behandelt werden, sollten auf Alkoholkonsum verzichten! Bei völliger Alkoholabstinenz liegt das HCC-Risiko bei HCV-Patienten, die durch eine solche Therapie erfolgreich vom Virus befreit wurden, bei 0%. Patienten, bei denen das Virus zwar aus dem Körper eliminiert wurde, die aber aktiv trinken, haben innerhalb von 5 Jahren ein 6,2%-iges kumulatives HCC-Risiko. Bei denjenigen, bei denen keine Viruselimination erreicht wurde, die aber nicht trinken, liegt das HCC-Risiko bei 16%. Patienten ohne Viruselimination, die aktiv trinken, haben ein Risiko von rund 30%, innerhalb von 5 Jahren an einem HCC zu erkranken.

 

Primär biliäre Zirrhose (PBC)

Viele Patienten sprechen auf die Standardtherapie (Ursodeoxycholsäure [UDCA]) nicht an; diese haben ein hohes Zirrhose- und HCC-Risiko. In der Phase-3-Studie POISE, in der Patienten mit erhöhter Alkalischer Phosphatase (AP) trotz UDCA oder mit UDCA-Unverträglichkeit 12 Monate lang entweder Obeticholsäure oder Placebo erhielten, führte die Obeticholsäure zu einem hochsignifikant verbesserten Abfall von Bilirubin und AP. Hier haben wir also eine wirksame neue Substanz, die bei Non-Respondern eingesetzt werden kann.
Bei der Obeticholsäure handelt es sich im Gegensatz zur UDCA nicht einfach nur um eine Gallensäure, die zu einer besseren Ausschleusung von Gallensäuren führt, sondern um ein „Gallensäuren-Hormon“, das Fibrose und portale Hypertension reduziert sowie zu einer Rückbildung der Fettleber und Verbesserung der Glukosetoleranz führt.

 

Nicht-alkoholische Fettleberkrankung (NAFLD) / Nicht-alkoholische Fettleberhepatitis (NASH)

Häufigkeit
Bei der NASH liegen im Gegensatz zur NAFLD ein Entzündungsprozess, hohe Transaminasen und Lymphozyten in der Leber vor, die die Hepatozyten zerstören. Infolge des zunehmenden Übergewichts werden beide Erkrankungen immer mehr zum Probem: In Deutschland gibt es 20 Mio. (wahrscheinlich sogar mehr) Fettleberpatienten und über 2 Mio. Fettleberhepatitispatienten.

Risikofaktoren und Folgeerkrankungen
Risikofaktoren sind:

  • berufliches Sitzen
  • minimale oder mangelnde körperliche Aktivität.

Eine Fettleber erhöht das kardiovaskuläre Risiko (u.a.: vermehrte Karotisplaques). Ein Fettleberpatient hat nach Bereinigung aller anderen klassischen Risikofaktoren ein um 64% erhöhtes relatives Risiko, an einem kardiovaskulären Ereignis zu sterben. Auch das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes und eines Bluthochdrucks ist deutlich erhöht. Solche Patienten sollte man also auch internistisch bzw. kardiovaskulär im Auge behalten. Umgekehrt haben Patienten mit Typ-2-Diabetes, Hypertonie und Hypertriglyzeridämie ein erhöhtes Risiko für eine Fettlebererkrankung.

 

Was tun?
Mit Arzneimitteln lässt sich hier nichts ausrichten; es gibt kein Medikament, das zur Rückbildung einer Fettleber führt. Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität helfen hingegen. In einer prospektiven Studie mit Lebensstilmodifikation bei 293 NASH-Patienten, bei denen vor und 52 Wochen nach Beginn der Diät Leberbiopsien durchgeführt wurden, war bei 25% der Patienten nach 1 Jahr die NASH nicht mehr nachweisbar. Bei adipösen Patienten mit NASH sollte eine Gewichtsreduktion um >10% des Körpergewichts angestrebt werden. Parallel zur Abnahme der Fettleber nimmt die Glukosetoleranz zu.