Update Infektiologie

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Prof. Dr. med. Rüdiger W. Braun   
Labor Enders & Partner, Stuttgart/Esslingen
Zentrallabor Klinikum Esslingen
Hirschlandstr. 97; 73730 Esslingen
Tel.: 0711 3103-3250
Fax: 0711 3103-3344
 
 
 
Prof. Dr. med. Rüdiger W. Braun ist Facharzt für Labormedizin und Infektiologe. Von 1990 bis 1993 war er Leiter des Instituts für Virologie der Bayer AG in Wuppertal danach Direktor und Forschungsleiter bei Bayer Yakuhin Ltd. in Osaka, Japan am Forschungszentrum Kyoto. Seit 1996 Prof. Braun Partner des Labors Prof. Enders & Partner, Stuttgart/Esslingen.
 

Durch die jährlich wiederkehrende Aufregung um mögliche Grippe-Pandemien und neu aufgetretene Coronaviren als Pneumonie-Erreger in der arabischen Welt sind viele Krankheitskeime, mit denen wir täglich zu tun haben, aus dem Zentrum unseres Blickfelds gerückt. Die meisten behandlungsbedürftigen Infektionsfälle werden jedoch nicht durch exotische Viren, sondern durch Erreger verursacht, mit denen wir im täglichen Leben konfrontiert sind. Obwohl für viele dieser Infektionen sogar eine Meldepflicht besteht, ist die Dunkelziffer hoch, da im Rahmen permanenter Budgetrestriktionen eine umfassende Diagnostik nicht regelhaft durchgeführt werden kann.  

Legionärskrankheit

Infektionen mit Legionellen treten vermutlich sehr viel häufiger auf als vermutet.

90% der Erkrankungen werden durch Legionella pneumophila verursacht, deren natürlicher Wirt die Amöbe ist.

Legionellen-Pneumonien (Legionärskrankheit) machen 1–5% (bis 30%) aller Pneumonien aus. In der BRD ist von 6000 bis > 10.000 Fällen pro Jahr mit ca. 400 Todesfällen auszugehen. Dabei handelt es sich um eine atypische Pneumonie, die nur trockenen Husten verursacht; außerdem können extrapulmonale Symptome (z.B. Durchfall) hinzukommen. Die Legionellen-Pneumonie ist eine schwere Allgemeinfektion mit deutlichem Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut. Die Letalität liegt auch bei optimaler Behandlung bei 5–10%. Gerade bei älteren oder vorbelasteten Patienten kann der Krankheitsverlauf schwer sein und führt dann trotz adäquater Therapie (Levofloxacin, in schweren Fällen Kombination mit Makroliden, Rifampicin) in einem hohen Prozentsatz zum Tode.

Gefahr geht v.a. von Klimaanlagen, aber auch von Whirlpools und Wasserleitungssystemen (Übertragung durch Aerosole) aus. Da in Deutschland keine Trinkwasserchlorierung erfolgt, ist eine Legionellenbesiedelung von Wassersystemen bei uns nicht selten. Der Gesetzgeber hat hierauf reagiert und die Untersuchung wasserführender Systeme auf Legionellen (und ggf. deren Sanierung) im vergangenen Jahr zur Pflicht gemacht. Allerdings sind die  Probleme bei der Sanierung der Leitungsnetze vielfach nicht gelöst. Vo allem Rohrleitungssysteme, die schon seit längerem in Betrieb sind, bieten einen idealen Nährboden für Einzeller und damit auch für Legionellen. Es gibt keine sichere Maßnahme, um diese Krankheitserreger dauerhaft aus dem Leitungsnetz zu entfernen; bei hoher Belastung muss aber wenigstens eine Reduktion der Keimzahl erreicht werden.

Noroviren

Auch hygienisch nicht einwandfreie Lebensmittel können zur Ausbreitung von Infektionen beitragen. Eine der häufigsten Infektionskrankheiten wird durch Noroviren verursacht. Bei diesem hochinfektiösen Virus handelt es sich um den häufigsten viralen Enteritiserreger. Die Übertragung erfolgt häufig durch Handkontakt, aber auch durch Kontakt mit kontaminierten Oberflächen und durch kontaminiertes Wasser bzw. kontaminierte Nahrung. Typisch für die Erkrankung ist ein akuter Beginn mit plötzlichem Erbrechen, manchmal begleitet von Durchfall, Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen. Die Behandlung besteht in oraler Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, ggf. i.v. Therapie. Normalerweise tritt innerhalb weniger Stunden eine Besserung ein. 

Mycobacterium paratuberculosis

Es zeigt sich immer wieder, dass unsere Nahrungsmittel und Tierbestände eine wichtige potenzielle Ursache für eine Vielzahl von Infektionen sind. Hierunter fällt auch die Infektion mit Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP), das sowohl bei Schafen und Ziegen als auch insbesondere bei Kühen nachgewiesen werden kann. Das Bakterium wird mit der Milch ausgeschieden, durch Pasteurisierungsverfahren jedoch nicht ausreichend abgetötet. Es kann auch beim Menschen nachgewiesen werden. Eine Assoziation von MAP mit Morbus Crohn ist wahrscheinlich; ein ursächlicher Zusammenhang zwischen MAP und der Genese von M. Crohn ist derzeit jedoch nicht belegbar.

Hepatitis E

Eine weitere, ebenfalls durch Nahrungsmittel übertragene Infektion ist die Hepatitis E. Die Durchseuchung mit diesem Virus ist in Deutschland unerwartet hoch (1–3%, bei immunsupprimierten Patienten bis über 10%). Normalerweise liegt die Letalität bei 0,5–4%, bei Schwangeren beträgt sie jedoch bis zu 20%. Bei Transplantatpatienten und immunsupprimierten Patienten kann die Erkrankung einen chronischen, evtl. fulminanten Verlauf nehmen.

Die Übertragung erfolgt hauptsächlich von infizierten Schweinen auf den Menschen. Schweinepopulationen in Deutschland sind zu 15–70% seropositiv. Gemeldet werden pro Jahr derzeit ca. 200 Fälle. Aufgrund der Erfahrung mit Hepatitis A darf jedoch angenommen werden, dass die tatsächliche Zahl infizierter Patienten bedeutend höher liegt und die Infektion in Deutschland signifikant unterdiagnostiziert ist. 

MZ