Update Kardiologie 2019

Portrait-Foto Leschke

Prof. Dr. Matthias Leschke

  • Chefarzt Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
  • Klinikum Esslingen GmbH
  • Hirschlandstr. 97
  • 73730 Esslingen

Stabile KHK: Aktuelles zur Epidemiologie und Prävention

Sozioökonomische Faktoren spielen nach wie vor eine sehr wichtige Rolle bei der koronaren Herzerkrankung (KHK) und generell bei kardiovaskulären Erkrankungen.
Was kann man selbst tun?

  • Optimismus geht mit einer massiven Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse einher.
  • Mindestens dreimal tägliches Zähneputzen (jeweils mind. 2 Minuten lang) senkt die Sterblichkeit und die Prävalenz kardiovaskulärer Ereignisse; denn die systemische Inflammation bei Karies und Parodontose begünstigt eine Arteriosklerose.
  • Yoga eignet sich hervorragend für die Reduktion der Häufigkeit weiterer Ereignisse nach einem Herzinfarkt.

Aspirin: immer gut?

Aspirin ist in der Sekundärprophylaxe bei manifester Arteriosklerose und KHK hocheffektiv. Aber wie sieht es mit der Primärprophylaxe aus? Mehrere Studien aus dem Jahr 2018 (ASCEND, ARRIVE, ASPREE) an Patienten mit Typ-2-Diabetes und weiteren Risikofaktoren zeigten einen geringfügigen Benefit durch eine Aspirin-Monotherapie zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse, doch aufgrund der vermehrten Blutungen unter Aspirin war der Effekt dann letzten Endes doch gleich Null. Fazit: Mit dem Einsatz von Aspirin in der Primärprophylaxe sollte man sehr zurückhaltend sein.
In der COMPASS-Studie wurde bei Patienten mit stabiler KHK oder pAVK die Wirksamkeit und Sicherheit von 1) Rivaroxaban niedrig dosiert (2 x 2,5 mg) plus Aspirin gegenüber 2) Rivaroxaban 2 x 5 mg und 3) einer Aspirin-Monotherapie zur Reduktion von Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod miteinander verglichen. Diese Studie ist deshalb wichtig, weil das niedrigdosierte Rivaroxaban + Aspirin zu einer signifikanten Reduktion der Mortalität (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall und Myokardinfarkt) geführt hat – natürlich erkauft durch vermehrte (aber keine schwerwiegenden) Blutungen.
Ganz besonders profitieren wahrscheinlich Patienten mit arterieller Verschlusskrankheit von diesem Therapieregime: Es konnte eine Reduktion von Amputationen und ischämischen Ereignissen nachgewiesen werden.

Aktuelles zum akuten Koronarsyndrom (ACS): Unbedingt zwischen Typ-1- und Typ-2-Myokardinfarkt differenzieren!

Was tun bei positiver oder dynamischer Troponinwerterhöhung in der Praxis ohne eindeutige Kriterien eines ACS?
Im letzten Jahr wurde eine bemerkenswerte Publikation zur Definition des Myokardinfarkts vorgestellt.
Der Typ-1-Infarkt ist der klassische Infarkt mit Plaque-Ruptur, der durch eine Katheterintervention behandelt werden kann.
Darüber hinaus gibt es aber auch noch einen anderen, weniger bekannten Typus: den Typ-2-Myokardinfarkt, der z. B. durch Vasospasmen oder eine Dysbalance zwischen Sauerstoffzufuhr und Sauerstoffbedarf infolge von Stress, Tachykardie oder Blutdruckschwankungen gekennzeichnet sein kann. Bei diesen Patienten liegt keine Plaque-Ruptur vor, sie können aber genauso gut ein positives Troponin und EKG-Veränderungen aufweisen und typische Beschwerden haben, sodass man sich fragt: Ist das ein klassischer Typ-1-Infarkt, müssen wir diesen Patienten per Katheterintervention behandeln? Solche Patienten leiden häufig unter Anämie, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Blutdruckschwankungen. Hier sprechen wir nicht von einem klassischen Myokardinfarkt, sondern von einer „myocardial injury“.
(Kristian Thygesen et al.: Fourth Universal Definition of Myocardial Infarction, Circulation. 2018;138:e618–e651)

Herzinsuffizienz: immer aktuell, wichtig und unbedingt in der Praxis zu beachten

Zum Thema Herzinsuffizienz gibt es viele neue Aspekte:

  • Eine neue Substanz namens Patiromer (Veltassa®), ein Kationenaustauscher, bindet Kalium und reduziert die Hyperkaliämie bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. Dieses neue Therapieprinzip muss sich erst noch durchsetzen, bewirkt aber eine beeindruckende Reduktion der Kaliumwerte. (Weir et al., NEJM, 372 (2015): 211–221)
  • Ein weiteres Therapieprinzip, das bereits etabliert ist, aber leider völlig vernachlässigt wird, ist die intravenöse Eisengabe mit Carboxymaltose. Eine Metaanalyse hierzu ergab einen bemerkenswerten Effekt einschließlich Reduktion der Sterblichkeit bei Herzinsuffizienz; diese Therapie verbessert also nicht nur die Symptomatik und Belastbarkeit, sondern ist prognoserelevant. Also bitte daran denken: Bei Herzinsuffizienz Eisenspiegel bestimmen! (Anker et al., Eur J Heart Fail 2018 Jan; 20(1): 125–133)
  • Die „stabile Herzinsuffizienz“ ist ein Mythos! Einer der bedeutendsten Herzinsuffizienzforscher, John J. McMurray, hat hierzu Daten der PARADIGM-HF- und ATMOSPHERE-Studie ausgewertet; die Untersuchung ergab keinen nennenswerten Unterschied in Gesamtmortalität und Hospitalisationsraten zwischen stabilen und instabilen Herzinsuffizienzpatienten (McMurray et al, NEJM 2014; 371: 993–1004). Die PARADIGM-HF-Studie zeigt: Mit intelligenter Herzinsuffizienzmedikation lässt sich bei Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz eine erhebliche Risikoreduktion erreichen (positiver Effekt von Sacubitril/Valsartan (Entresto®) gegenüber Enalapril).
  • Ein weiterer verhängnisvoller Herzinsuffizienz-Mythos besteht darin, dass es eine „leichte Herzinsuffizienz“ gebe. In PARADIGM-HF trat bei über 11% der Patienten in der Kontrollgruppe (Enalapril) eine Verschlechterung ein. Patienten mit „leichten“ Symptomen sind nicht stabil, und ihre Herzinsuffizienz schreitet selbst bei optimaler Therapie schnell voran – also bitte die Medikamente nicht sukzessive absetzen, sondern die Medikation sorgfältig weiterführen, selbst wenn die Herzinsuffizienz rekompensiert ist!

Thrombose, Antikoagulation und Tumor

In der COMPASS-Studie traten gastrointestinale Blutungen selbst unter niedrigdosiertem Rivaroxaban signifikant häufiger auf als unter einer Monotherapie mit Aspirin. Bei endoskopischen Untersuchungen dieser Patienten wurden in einem hohen Prozentsatz maligne Tumoren gefunden. Das bedeutet: Jede gastrointestinale Blutung und jede Hämaturie muss sorgfältig auf das Vorliegen eines Tumors hin untersucht werden.

Lipide: Neues zu den PCSK9-Antikörpern

PCSK9-Antikörper

  • senken das LDL-Cholesterin um 50 bis 60 %
  • senken das Lipoprotein (a) um 30 %
  • auch in Kombination mit Statinen bis zur Maximaldosis
  • auch in Kombination mit Ezetimib
  • Reproduzierbar in allen untersuchten Populationen (Hochrisikopatienten mit maximaler Lipidtherapie; heterozygote familiäre Hypercholesterinämie in Kombination mit Statinen; Statin-Intoleranz)
  • Kaum Sicherheitssignale

Man sollte die PCSK9-Antikörper nach Möglichkeit mit der konventionellen cholesterinsenkenden Medikation kombinieren. Von dieser Therapie profitieren v. a. auch Patienten mit homozygoter und heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie.

Hier können Sie den Vortrag anhören: