Update Hepatologie

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Prof. Dr. med. Michael Geißler
Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie/Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologie
Klinikum Esslingen a. N.
Hirschlandstr. 97; 73730 Esslingen
Tel.: 0711 3103-2451
m.geissler@klinikum-esslingen.de
 
 
 Prof. Dr. med. M. Geißler ist seit 2005 Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Onkologie/Hämatologie, Gastroenterologie und Infektiologieam Klinikum Esslingen. Er ist Mitglied in zahlreichen deutschen und internationalen Fachgesellschaften und Gutachter für wissenschaftliche Zeitschriften.
 

Hohe Relevanz von Lebererkrankungen

Im Rahmen einer Gesundheitsstudie aus dem Jahr 2011 in Mecklenburg-Vorpommern wurde bei 4224 zufällig ausgewählten Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 79 Jahren der Serum-ALT-Wert gemessen. Bei fast 25% der Studienteilnehmer war dieser Wert erhöht. Demnach hat wohl jeder Vierte in Deutschland eine Lebererkrankung, die mit einer Entzündung einhergeht. Ärzte sollten bei ihren Patienten einmal pro Jahr die GPT bestimmen und erhöhte Werte diagnostisch abklären.

Hepatitis B und C sind in der Allgemeinbevölkerung häufiger als angenommen: Bei bis zu 3% bzw. 11% der Allgemeinbevölkerung in Deutschland wurde im Rahmen eines hausärztlichen Screenings eine HBV- bzw. HCV-Infektion festgestellt.

Hepatitis B

Impfung

Je älter Erwachsene zum Zeitpunkt der HBV-Impfung sind, desto stärker sinken im Verlauf die Titer. Auch bei fehlendem anti-HBs-Titer besteht jedoch nach der Impfung, vermittelt durch virusspezifische Gedächtnis-T-Zellen, ein Infektionsschutz. Daher ist in Deutschland bei Nicht-Risiko-Personen eine Auffrischimpfung nach 10–15 Jahren nicht notwendig, auch dann nicht, wenn keine anti-HBs-Titer mehr messbar sind.

Therapie

Es gibt nur noch zwei Arzneimittel, die man einsetzen sollte: Entecavir und Tenofovir sind die einzigen Medikamente, bei denen es unter einer Therapie nicht zur Resistenzbildung kommt; die anderen (Lamivudin, Adefovir und Telbivudin) sollten aus diesem Grund nicht mehr eingesetzt werden.

Das bisherige Dogma, dass eine einmal bestehende Leberzirrhose sich nicht wieder zurückbilden kann, gilt übrigens nicht mehr: Unter einer Langzeittherapie mit Tenofovir erreichen drei Viertel der Patienten eine Rückbildung der Zirrhose zu einer Fibrose. Dies ist prognostisch von hoher Relevanz; das Gesamtüberleben der Patienten verlängert sich dadurch signifikant. Ausheilen lässt eine Hepatitis B sich jedoch nicht; man kann sie nur immunologisch kontrollieren. Eine Viruselimination ist nicht möglich.

Schwangerschaft

Insbesondere bei hochvirämischen Müttern kommt es trotz aktiver und passiver Impfung des Neugeborenen in 10–30% aller Fälle zu einer vertikalen Virustransmission. Neue Nukleosidanaloga (NUCs) wie Lamivudin, Tenofovir und Telbivudin sind nicht teratogen und können im 2. und 3. Trimenon problemlos eingesetzt werden.

Lebertransplantation

Nach Transplantation einer HBV-assoziierten Leberzirrhose wird die Reinfektion des Spenderorgans bislang durch dauerhafte Gabe von Immunglobulinen und dem relativ schwach wirksamen NUC Lamivudin verhindert. Auf die teure Immunglobulingabe kann künftig bei den meisten Patienten verzichtet werden, wenn neue NUCs mit hoher Resistenzbarriere wie Entecavir oder Tenofovir eingesetzt werden. Diese schützen vor einer Reinfektion in nahezu 100% auch ohne Immunglobuline.

Hepatitis C

Therapie

Die neuen Triple-Therapien mit PEG-INF, Ribavirin sowie Boceprevir oder Telaprevir sind beim Genotyp 1 hocheffektiv, aber auch teuer und mit Nebenwirkungen assoziiert. Eine Subgruppe von Patienten mit niedriger Viruslast und Virusnegativität nach 4-wöchiger alleiniger PEG-INF/Ribavirin-Therapie scheint nicht von der zusätzlichen Gabe von Boceprevir zu profitieren. Die Compliance der Telaprevir-basierten Triple-Therapie kann verbessert werden, indem man die tägliche Telaprevir-Dosis nicht auf 3, sondern auf 2 Gaben verteilt.

Wegen der hohen Toxizität der aktuellen Triple-Therapien ist es notwendig, einerseits INF-freie Therapien und andererseits besser verträgliche, hochpotente direkt antiviral wirksame Medikamente einzusetzen. Die bisherigen Daten geben Anlass zur Hoffnung, dass in absehbarer Zeit IFN-freie Therapien zum Einsatz kommen werden. Aufgrund der Vielzahl der in klinischer Testung befindlichen Substanzen mit unterschiedlichen Wirkungsprofilen wird die Therapie sehr viel komplexer und in Analogie zur Onkologie personalisiert werden.

Lebertransplantation

Eine Triple-Therapie bei Patienten auf der Warteliste ist mit einer hohen Rate an Therapieabbrüchen und hepatischen Dekompensationen assoziiert. Nach der Transplantation werden die Triple-Therapien besser vertragen und führen in bis zu 70% zu einem virologischen Ansprechen.

Hepatitis E

HEV-Infektionen nehmen in Deutschland zu. Vor Stellung der Diagnose einer medikamentenassoziierten Lebererkrankung nach Ausschluss einer Hepatitis A, B oder C sollte stets auch eine HEV-Serologie bzw. PCR bei positiver Serologie durchgeführt werden. Bei 3–5% der Patienten mit Verdacht auf medikamentenassoziierte Lebererkrankung kann eine HEV-Infektion vorliegen.

Autoimmunhepatitis

Hierbei handelt es sich in den allermeisten Fällen um eine inkurable, dauerhaft immunsuppressiv zu behandelnde Erkrankung. Das Absetzen der immunsuppressiven Therapie führt selbst bei Patienten mit langjährig normalen Leberwerten meistens zu einem Rückfall der Erkrankung.

Nicht alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD)

Nicht alkoholische Fettleberhepatitis (NASH)

Eine NAFLD liegt bei knapp 50%, eine NASH bei 30% der westlichen Bevölkerung vor. Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Adipositas, Fastfood, männliches Geschlecht, Bewegungsmangel, Hypertonie. Bei der NASH handelt es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung, denn sie erhöht das Risiko für die Entstehung einer Zirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms. Vor allem Patienten mit erhöhtem Ferritin haben ein hohes Risiko. Gewichtsabnahme ist die einzig wirksame Maßnahme gegen eine NASH; Kaffee- und Koffeinkonsum reduzieren die Fibrose und halten die Entwicklung einer Zirrhose auf.

MZ